Die Elliniki Gnomi im Gespräch mit dem deutschen Botschafter in Athen.
Dr. Peter Schoof gibt einen Einblick in die inhaltlichen Aspekte des Deutsch-Griechischen Zukunftsfonds. Dieser soll mittels verschiedener Projekte die Verbrechen Deutschlands an Griechenland während des Zweiten Weltkriegs aufarbeiten, darüber informieren und das Bewusstsein für die Vergangenheit stärken. Zudem werden auf diesem Weg entsprechende Forschungen unterstützt und der wissenschaftliche Bereich zwischen Deutschland und Griechenland ausgebaut. Mithin ist die Schaffung eines Deutsch-Griechischen Jugendwerks in der Planung. Auf diese Weise reagiert die deutsche Bundesregierung auf die von ihr zurückgewiesenen Kriegsreparationszahlungen, die von Griechenland eingefordert wurden. Mit Hilfe des Fonds soll deutlich gemacht werden, dass Deutschland bereit ist für die moralische Schuld der Vergangenheit Verantwortung zu übernehmen.

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Interview: Sylvia Löser
Fotos: Walter Bachsteffel


Dr. Peter Schoof ist seit Februar 2014 Botschafter der Bundesrepublik Deutschland in Athen.Er studierte Politikwissenschaften und Geschichte und promovierte 1983. Es folgten wechselnde nationale und internationale Tätigkeiten. Von 2006 bis 2011 leitete Schoof das Referat für Grundsatzfragen der Europäischen Union im Auswärtigen Amt. Vor seiner Ernennung zum Botschafter amtierte er als Beauftragter für die bilateralen Beziehungen zu den EU-Mitgliedsstaaten.

 

Herr Botschafter, im März besuchte Bundespräsident Gauck im Rahmen eines Staatsbesuches Athen, Lingiades und Ioannina. Er legte am Denkmal in Lingiades einen Kranz nieder und sprach in einer viel beachteten Rede über die Schrecken der Vergangenheit, aber auch über die Herausforderungen der Zukunft für Griechenland und seine jungen Menschen. Der Bundespräsident wird in der griechischen Tageszeitung Kathimerini vom 5. März folgendermaßen zitiert: „Ich komme nach Griechenland, um auch über den Deutsch-Griechischen Zukunftsfonds zu sprechen.“

Elliniki Gnomi: Wie soll ein solcher Fonds aussehen?


Schoof: Leider ist es noch immer so, dass die Öffentlichkeit in Deutschland nicht genug über die Verbrechen, die Deutsche während des Zweiten Weltkriegs in Griechenland begangen haben, weiß. Umgekehrt ist in Griechenland verständlicherweise das schmerzliche Bewusstsein für die Schrecken dieser Zeit sehr stark ausgeprägt.
Aus dem Deutsch-Griechischen Zukunftsfonds sollen deswegen kulturelle, wissenschaftliche und zivilgesellschaftliche Projekte in Deutschland und Griechenland gefördert werden, die der Aufarbeitung dieser gemeinsamen Weltkriegsvergangenheit Deutschlands und Griechenlands gewidmet sind. Unser Ziel ist es, deutlich zu machen, dass wir Deutsche Verantwortung für unsere Geschichte, auch in Griechenland, übernehmen. Wir wollen damit Respekt vor den Opfern zeigen. Wir wollen den Fonds aber auch besonders auf die Bedürfnisse der Jugend ausrichten und in die Zukunft schauen. Der Fonds wird beim Auswärtigen Amt angesiedelt sein, die Botschaft und das Generalkonsulat in Thessaloniki werden eine wichtige Rolle bei der Umsetzung spielen.

 

Elliniki Gnomi: Wer werden die Begünstigten sein?


Schoof: Von den Projekten könnten insbesondere diejenigen Gemeinden profitieren, in denen während des Zweiten Weltkriegs Verbrechen gegen die Zivilbevölkerung verübt wurden. Aber auch das Jugendnetzwerk der Märtyrerdörfer, die jüdischen Gemeinden in Griechenland, insbesondere in Thessaloniki und Ioannina, Forschungseinrichtungen, Museen, gemeinnützige Stiftungen und Vereine sehen wir als potentielle Partner bei der Umsetzung der Fondsprojekte.
Lassen Sie mich Ihnen nur einige Beispiele für mögliche Projektinhalte nennen:
Ein Schwerpunkt wird sicherlich die Förderung von Projekten in den Opfergemeinden in Griechenland sein, z. B. Schulmaterial, Stipendien, Erhalt von Erinnerungs- und Gedenkorten.
Daneben soll der Fonds der Förderung vertiefter Forschung zu den Weltkriegsereignissen und dem Ausbau der wissenschaftlichen Beziehungen zwischen Deutschland und Griechenland dienen. Aber auch Ausstellungsvorhaben zu den Weltkriegsereignissen und projektbezogene Jugendbegegnungen sind förderungsfähig.


Elliniki Gnomi: Wie hoch wird der Fonds ausgestattet sein?


Schoof: Die genaue Höhe der zur Verfügung stehenden Mittel hängt natürlich von den jährlichen Haushaltsverhandlungen ab. Ich kann Ihnen allerdings versichern, dass es sich um einen substantiellen Betrag handeln wird.


Elliniki Gnomi: Wann kann der Fonds seine Hilfestellungen aufnehmen, konkrete Hilfe leisten?


Schoof: Bereits für 2014 stehen Mittel bereit. Die ersten Projekte sollen noch dieses Jahr anlaufen. Zurzeit werden Projektvorschläge im Dialog mit griechischen Partnern gesammelt.


Elliniki Gnomi: Joachim Gauck hat zudem gesagt: „Und ich freue mich, dass es nun ein Deutsch-Griechisches Jugendwerk geben wird.“ Deutschland hat nach unserer Kenntnis zwei gemeinsame Jugendwerke mit ehemaligen Kriegsgegnern, mit Frankreich und Polen. Beide Jugendwerke leisten vielfältige und ausgezeichnete Arbeit. Ist daran gedacht, ein Deutsch-Griechisches Jugendwerk in ähnlicher, bewährter Form und Ausstattung aufzubauen und finden besondere Herausforderungen im Umgang mit der derzeitigen ökonomischen Krise Griechenlands und der hohen Jugendarbeitslosigkeit Berücksichtigung?


Schoof: Der Aufbau des Jugendwerks stellt einen Schwerpunkt unserer bilateralen Beziehungen dar. Daher werden es Bundespräsident Gauck und Staatspräsident Papoulias sein, die das Jugendwerk im September gemeinsam aus der Taufe heben werden.
Klar ist, dass das Jugendwerk nach dem Vorbild der deutsch-französischen und deutsch-polnischen Jugendwerke entwickelt werden wird.
Da die Jugend in Griechenland besonders von der Krise betroffen ist und gerade der Jugend die Zukunft gehören soll, wird es Ziel des Jugendwerks sein, einen stärkeren Austausch mit Deutschland zu ermöglichen. Ein wichtiger Aspekt wird aber auch der Umgang mit der hohen Jugendarbeitslosigkeit sein.

 

Elliniki Gnomi: Griechenlands Jugend geht vermehrt an die Universitäten. Allein an der Universität Thessaloniki sind 120. 000 Studierende eingeschrieben. Welche Perspektiven können ihnen eröffnet werden?


Schoof: Aus unserer Sicht ist die Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit oberste Priorität. Die vielen talentierten jungen Menschen in Griechenland werden gebraucht, um die Reform von Staat, Wirtschaft und Gesellschaft zu ermöglichen. Ob hierfür eine einseitige Ausrichtung auf akademische Bildung dienlich ist, würde ich eher bezweifeln. Nach unserer Erfahrung in Deutschland kommt es darauf an, die jungen Menschen möglichst früh an ein Arbeitsleben in einer produktiven Wirtschaft heranzuführen. Deswegen sind Praktika in Betrieben, stärkere interdisziplinäre Verflechtung sowie eine Zusammenarbeit des Hochschulsektors mit Unternehmen besonders vordringlich.

 

Elliniki Gnomi: Kann angesichts der langen Umsetzungsdauer die duale Berufsausbildung nach deutschem Muster ein gangbarer Weg sein oder sollten weitere Fördermaßnahmen geprüft werden?


Schoof: Ein besonderes Merkmal des deutschen Bildungssystems ist die duale Ausbildung, die betriebliche Praxis und Schulunterricht kombiniert. In Deutschland beginnt der Großteil der Jugendlichen, die einen Haupt- oder Realschulabschluss besitzen und keinen weiteren Schulabschluss anstreben, eine solche Ausbildung.
Dieses System besitzt eine Reihe von Vorteilen: Der praktische Ausbildungsteil liegt in Betrieben mit großer praktischer Kompetenz. Dadurch, dass die Betriebe Ausbildung und Bezahlung übernehmen, wird das staatliche Ausbildungssystem entlastet. Gewinner ist in jedem Fall der Auszubildende. Seine Ausbildung wird erleichtert durch die Praxiserfahrung im Betrieb, und der Wechsel zwischen Schule und Betrieb motiviert den Auszubildenden zusätzlich. Wichtig sind allerdings die Bildung klarer und eindeutiger Berufsbilder und die Vereinheitlichung des Ausbildungsstandes.

 

Elliniki Gnomi: Die Europawahlen mit den Erfolgen rechtspopulistischer Parteien sind nun vorbei. Rechte Parteien gewannen in Frankreich, Dänemark und Großbritannien viele Stimmen verzweifelter und protestierender Jugendlicher ein. Auch dazu möchten wir Bundespräsident Gauck zitieren: „Das europäische Projekt ist weit mehr als ein großer Markt mit einer gemeinsamen Währung: Europa ist die Grundlage für unser Leben in Frieden und Sicherheit, Arbeit und Wohlstand.“
Was entgegnen Sie als deutscher Botschafter griechischen Jugendlichen, wenn diese Sie fragen: „Bei 57,3 % derzeitiger Jugendarbeitslosigkeit brauche ich Arbeit, Arbeit und nochmals Arbeit. Wie soll ich ohne Arbeit eine Familie gründen, meine Rente ansparen und im Alter ein Leben in Würde führen können?


Schoof: Diese Jugendlichen haben recht: Sie brauchen eine Perspektive! Daher müssen in Griechenland dringend Arbeitsplätze geschaffen werden. Dafür brauchen wir endlich wieder wirtschaftliches Wachstum im Lande. Wir arbeiten mit der griechischen Regierung zusammen, damit die hierfür erforderlichen Strukturreformen der vergangenen Jahre fortgesetzt werden.

 

Das Interview wurde in der Elliniki Gnomi Ausgabe 171 – August 2014, veröffentlicht.

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