Karagiozis- Aufführung im Linden-Museum Stuttgart von und mit Athos Danellis.

 Joanna Ziogale-Heimann – Fotos und Text.

Der bekannte griechische Künstler aus Athen war zu Gast in der Ausstellung „ Die Welt des Schattentheaters. Von Asien bis Europa“ vom 3. Oktober 2015 bis 10. April 2016.

Am vorletzten Tag der Ausstellung ertönte am Samstagnachmittag die fröhliche Musik der Karagiozis – Schattentheater-Aufführung. Über einhundert Kinder, zum Teil auf dem Boden vor der Bühne sitzend, warteten gespannt auf das Abenteuer „ Alexander der Große und die verfluchte Schlange“.

Hinter der Leinwand legt die Assistentin von Danellis, Irini Garane alle Figuren bereit: Karagiozis, seine Frau Aglaia, seine Kinder, die er Kollitiri nennt, der Pascha und seine hübsche Tochter, und natürlich Hatziavatis, der beste Freund von Karagiozis, mit dem er jedes Mal in Streit gerät. Zu den Kulissen gehören immer die Hütte von Karagiozis auf der einen, der Sultanspalast auf der anderen Seite der Bühne. Das Szenario läuft nach ähnlichen Schema, die Charaktere sind immer gleich. Die Figuren ähneln Scherenschnitten und sind aus dünnem und bunt gefärbtem Pergament hergestellt.danellis1

Bevor es losgeht, begrüßt die Kuratorin der Ausstellung Frau Dr. Annette Krämer die Kinder und die Erwachsenen. 290 Besucher füllen den Saal des Linden-Museums. Sie bedankt sich bei der „Initiative Neue Hellenische Gemeinde Stuttgart“, die die Vorstellung mit organisiert hat, und besonders bei Georgia Kemanetzidou und Anna Ioannidou.

Athos Danellis zeigt den Gästen seine einzigartig selbsterstellten Figuren, erklärt ihre Rolle und Funktion, Anna Ioannidou übersetzt.

Hinter der Bühne werden inzwischen weitere Figuren von Irini Garane vorbereitet. Dabei sind der Dorfgrieche Barbajorgos, der Macho Stadtgriecher Stavrakas und natürlich Alexander mit der verfluchten Schlange.

 

Die Kinder werden ungeduldig. Schließlich verschwindet der Karagiozis-Spieler hinter der Bühne, das Licht geht aus, nur die Leinwand wird beleuchtet.

Die Figur des Karagiozis erscheint, mit einem überlangen Arm und der großen Nase, immer gebückt. Er beginnt mit der bekannten Begrüßungszeremonie mit seinen Kindern, mit witzigen Dialogen und mit scheinbar strengen Fragen zur Schule und am Ende fängt eines der Kinder einen Hieb vom Vater.

An dieser Stelle der Darbietung bauen alle Karagiozis-Spieler aktuelle Themen aus dem gesellschaftlichen Alltag und üben dabei Kritik an den Herrschenden.

Dann ist Hatziavatis an der Reihe, dessen Figur die Unterwerfung gegenüber der Obrigkeit personifiziert. Er muss ein Ereignis verkünden. Zur Lösung des anstehenden Problems braucht er immer die Hilfe von Karagiozis, der frech, listig und witzig ans Werk geht, immer seinen Vorteil im Sinn, immer auf der Suche einer Möglichkeit, seine Familie ernähren zu können.danellis2

Karagiozis blickt auf eine Tradition des griechischen Schattentheaters von 200 Jahren zurück. In seiner Glanzzeit war das populärste Unterhaltungsmedium mit Millionen Zuschauern. Es entwickelte sich im 19. Jahrhundert aus der osmanischen Tradition heraus, mit den gleichnamigen Protagonisten Karagöz und Hacivat. In der griechischen Tradition werden ihnen neu konzipierte Figuren zur Seite gestellt, die im Schattenspiel konkrete Funktionen und Rollen ausfüllen. Das Ziel ist immer, die Obrigkeit reinzulegen, mit Humor Herrschaftskritik zu üben und als Sieger aus jeder Geschichte hervor zu treten.

Als Gründer des griechischen Schattenspiels gilt Dimitrios Sardounis aus Patras. Der bekannteste Karagiozis-Spieler im letzten Jahrhundert war Eugenios Spatharis, der diese Kunst von seinem Vater Sotiris übernahm.

 

Als Athos Danellis die Figur Alexander des Großen auf die Bühne bringt, toben die Kinder. Wie beim Kasperle-Theater ist eine Interaktion gewollt.

Dem Athener Schattenspieler Athos Danellis gelingt es mühelos, die Kinder zu begeistern und sie auf die Abenteuerreise mitzunehmen.

Seit drei Jahrzehnten beschäftigt er sich mit dem griechischen Schattenspiel, hat in Theater-, Kino- und Fernsehproduktionen mitgewirkt, an griechischen und internationalen Festivals teilgenommen.

An der Athener Oper war er Mitarbeiter der innovativen Aufführung der Schattenoper von Nikos Mamangakis. Im Jahr 1998 gründete er das Archiv des griechischen Schattentheaters mit dem Ziel, historische Texte zum Karagiozis wieder zu retten.

Er ist einer der wenig verbliebenen Karagiozis-Spielern, die fast täglich Vorstellungen für Erwachsene gibt, und somit diese Theatertradition am Leben hält.

Darüber hinaus ist Athos Danellis Dozent für Schattentheater-Kunst, das heißt für Theorie und Geschichte, Rolle der Musik, Herstellung und Zeichnung der Figuren und mehr. Er ist Verfasser von Artikeln und Aufsätzen.

Das Griechische Nationaltheater in Athen engagierte ihn 2007 bis 2010 für Vorstellungen im traditionellen Schattentheater.

Den Beruf des Journalisten, den er in England erlernt hat, übt er nur teilweise aus.

 

Das Spiel mit dem Schatten von China bis Griechenland

 

Von China über Indonesien und von Indien bis zum Mittelmeer fasziniert das Schattenspiel seit Jahrhunderten alle Menschen.

Während einer Führung im Linden-Museum durch die Kuratorin der Ausstellung Annette Krämer erfahren die Gäste aus Athen Vieles über die verschiedenen Schattentheatertraditionen von Asien bis Europa.

In Indien, Indonesien und Thailand zum Beispiel kämpfen Götter, Menschen und Dämonen gegeneinander, bis Gut gegen Böse siegt. Allerdings kämpft Gut gegen Böse dabei auch in jedem Einzelnen. Aus Malaysia war sogar eine Figur zu sehen, die sehr an „Darth Vader“ erinnert

In China macht das Zusammenspiel von Musik, Gesang und Schauspiel das Schattentheater seit dem elften. Jahrhundert zu einer „Kunst höchster Vollendung“, betont Annette Krämer mit ansteckender Begeisterung.

In Ägypten gab es das Schattentheater sehr früh in höchster Blüte – wohl bevor es sich gen Anatolien und Europa wandte. Doch man weiß es nicht wirklich:

Die Frage nach dem Ursprung des Schattentheaters wollte die Kuratorin nicht eindeutig beantworten. Denn dafür gäbe es keine Beweise. Das Spiel mit dem Schatten gab es wahrscheinlich schon immer, meinte sie. Aber Quellen berichten erst seit dem 11.Jahrhundert fast gleichzeitig über die entwickelten asiatischen Traditionen und das ägyptische Schattentheater.danellis3

 

Zur Renaissance dieser Theaterform in den letzten Jahrzehnten führte die Erfindung der Halogenlampe, so Frau Dr. Krämer. Denn ihr Licht lässt scharf konturierte Schatten entstehen und so können die Figuren im Raum bewegt werden.

 

Aber nicht nur Staunen, sondern auch Mitmachen war das Motto der Ausstellung, und zwar nicht nur für kleine Besucher. Im Schattenlabor konnten Familien Silhouetten zeichnen und an Overheadprojektoren experimentieren, selber Figuren hinter der Leinwand zum Leben erwecken, Geschichten erfinden… oder einfach die faszinierende Ästhetik und Schönheit der Figuren und den Facettenreichtum des Genres bewundern.

 

Für alle Besucher der Ausstellung waren die Erfahrungen mit dem Schattentheater eine Bereicherung der Sinne, ein Beflügeln der Fantasie, die in unserer Zeit der Bilderüberflutung zu kurz komme, wie Annette Krämer bedauert. Die Besucherzahl von 28.500 sei hinter den Erwartungen geblieben, konstatiert sie. Vor allem habe das Museum mit mehr Besuchern mit dem so genannten Migrationshintergrund gerechnet. Gerade wegen der bekannten Figuren Karagöz und Karagiozis.

Von vielen Seiten wurde jedenfalls der Wunsch geäußert, die Zusammenarbeit mit dem Schattentheater Künstler aus Athen fortzuführen.

 

Informationen dazu im Netz:

www.lindenmuseum.de

www.athosdanellis.com

 

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