„Biographien-Hintergründe-Visionen“

Zur Ausstellung der Bilder von Dorothée Utta im Gewerkschaftshaus Stuttgart

von Michael Wieck *

Die Künstlerin Dorothee Utta ist die Malerin der Bilder, die hier ausgestellt werden. Sie ist ganz sicher eine Kunsterzieherin, die ihren Schülern viel zu geben hat und auch ein Glücksfall für den Verein „Diaphania“, die europäische Gesellschaft für Politik, Kultur und Soziales. Diese Gesellschaft betreut sie als Schriftführerin. Unser Vorsitzender, Evangelos Goros, ist Grieche, und wenn er typisch ist für griechische Männer, wären diese wohl die liebenswürdigsten auf der Welt.

Dorothee Uttas Bilder erinnern an die Zeit 1958, als nach dem letzten Krieg hohenlohische Unternehmer griechische Menschen als Arbeitskräfte in ihr Land einluden. Diese Menschen hatten dann großen Anteil am Wiederaufbau des zerstörten sog. deutschen Reiches gehabt. Und wer nicht fragwürdige Maßstäbe von rassespezifischen Schönheitsidealen hat, sieht in Völker- und Rassenvermischungen immer auch eine Bereicherung, nicht zuletzt durch Genauffrischungen. Wir brauchen uns nur den hohen Prozentsatz von diesen Leistungsträgern anzusehen.

Die heutige Veranstaltung ist eine ehrende Erinnerung an eine geglückte Integration von Menschen, mit einer anderen Sprache und Kultur in einem anderen Klima, in einem anderen Land, und zugleich auch eine hoffnungsvolle Perspektive. Jede Veranstaltung, die unter den Begriffen „Visionen“ und „Integration“ steht, hat es zuallererst einmal mit Frieden zu tun, ohne den alles in Frage gestellt wäre. Frieden braucht Nächstenliebe. Ohne die kann es keinen dauerhaften Frieden geben. Nächstenliebe ist also mehr, als nur die Voraussetzung für Integration, und alle Tugenden hängen von dem guten Willen der Menschen ab, den man in sich stärken kann.

Die hier ausgestellten 49 Porträts zeigen Vertreter von den 7 Anwerbefirmen in Hohenlohe, sowie die ersten Gastarbeiter neben ihren Arbeitgebern. Es gibt keine vorbestimmte Reihenfolge. Man sieht Gastarbeiter neben ihren Chefs. Unter ihnen sind viele Personen mit schweren Schicksalen, sei es durch einen Unfallverlust oder durch schwere Erkrankungen von Angehörigen. Die an den einzelnen Bildern drangebliebenen Abreiß-Perforationen an den oberen Rändern sind beabsichtigt. Sie sollen an die Vergänglichkeit des Menschenlebens und an jedermanns Ersetzbarkeit erinnern. Jedes Jahr kommt immer ein neues Porträt hinzu. Geplant sind in Zukunft ergänzende Landschaftsbilder von der alten Heimat und der neuen- aber die Frage, ob es mehr als nur eine Heimat gibt, kann an dieser Stelle nur angedeutet werden …

Die Porträts von Dorothée Utta sind frei von künstlerischen Extravaganzen. Sie versuchen, den genau Abgebildeten durch malerische und zeichnerische Feinheiten einen besonderen Ausdruck zu geben. Das kann das Foto eben nicht leisten. Der Fotograf drückt den Auslöser – der Porträt-Maler oder Zeichner muss sich sehr bemühen, um den von ihm gewollten Ausdruck oder eine vorherrschende Stimmung wahrnehmbar zu machen. Ob Dorothée das gelungen ist, muss der Betrachter herausfinden, der sich dabei in die abgebildeten Personen hineinversetzen kann.

Mir gefallen die abgebildeten Porträts, für die die jeweiligen Personen manchmal nur eine Stunde Sitzungs-Zeit gegeben haben. Dass sie sehr ähnlich geworden sind, kann man an den einem selbst bekannten Menschen feststellen.

Abschließend drängt es mich aber doch noch einige Worte über die Natur des Begriffs „Kunst“ zu sagen. Wer schreibt, musiziert oder malt ist mit Kunst verbunden. Und wer Gutes liest, hört oder sieht, ebenfalls.

Doch was ist nun wahre Kunst? Ein inneres Muss kennzeichnet den kreativen und den pflichtbewussten Menschen. Die herausragende kreative Persönlichkeit zeichnet zumeist noch ein besonderes Anliegen aus, das ihr brennend wichtig ist, das im Idealfall von einem inneren Feuer genährt wird, das so stark ist, dass es in ihrem Werk weiter zu glühen vermag und zwar unbegrenzt, zeitlos.

Was jeweils das „wichtige Anliegen“, das „innere Feuer“ des Künstlers sein könnte, weiß ich nicht, es ist individuell verschieden, man kann es nicht generell sagen. Auf jeden Fall entspringt es aber – daran zweifle ich nicht –starkem Empfinden, ja tiefer Leidenschaft. Spielerei allein darf es nicht sein. Wo sollte denn sonst auch das glühende Etwas herkommen, das allein einem Kunstwerk Ausstrahlungskraft und Lebensdauer verleiht und dadurch seinen wahren Wert bestimmt?

Wenn man mit Kunst umgeht ist das, was jeder dabei selbst empfindet immer wichtiger, als das, was ihm von anderen eingeredet wird, das er empfinden soll. In diesem Sinn betrachten Sie hier auch die ausgestellten Bildwerke.


Rede von Michael Wieck, Stellvertretender Vorsitzender der Europäischen Gesellschaft für Politik, Kultur, Soziales e.V. Diaphania, anlässlich der Vernissage der Ausstellung „Biographien-Hintergründe-Visionen“ – Die Griechen von Hohenlohe – am 16. April 2010 im Gewerkschaftshaus Stuttgart.

 


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