Die Elliniki Gnomi mit dabei als Medienpartner der Hellas Filmbox 2018

Der Start ins Jahr 2018 steht in der deutschen Hauptstadt wieder ganz im Zeichen des griechischen Films und der Kunst!

Von Athanasia Theel

Auf dem Berliner RAW-Gelände treffen die Subkulturellen auf Touristen, die Musiker auf Flaschensammler, die Partyliebhaber auf Flohmarktfans und im Jahr 2018 die Liebhaber, Kenner und Interessierten auf die griechische Film- und Kunstszene.

Die Hellas Filmbox hat sich nach seiner Gründung vor drei Jahren kontinuierlich weiterentwickelt und präsentiert sich nun auch als Artbox, welche einen rundum Blick mit 361 Grad Griechenland bietet. Und für solch eine Box kann es wohl keinen besseren Ort geben als das Urban Spree auf dem RAW-Gelände in Berlin, um in 5 Tagen 32 Filme, 13 bildende Künstler und 9 Box Talk Gäste zu präsentieren. Dabei kommen Cineasten allemal auf ihre Kosten, denn mit einer kleinen Aufwärmphase geht es im Berliner Kino Babylon los. Dort werden mit der griechischen Filmwoche über 25 Filme gezeigt, darunter Dogtooth (2009) und  The Lobster (2015) von Yorgos Lanthismos, der mit seinem aktuellen Film The Killing of a Sacred Deer (2017) bereits für angehaltenen Atem in den Kinosälen gesorgt hat.

Nach einer kleinen Verschnaufpause von der Filmwoche geht es weiter im Friedrichshainer Urban Spree, wo es zwar keine Kinosessel mehr gibt, dafür aber bequeme rotsamtene Stühle für das Publikum, um die Öffnung einer Überraschungsbox zu erleben.

Bereits auf dem Weg zum Sitzplatz wirken kulinarische und künstlerische Einflüsse auf die Besucher ein. Noch ein kleiner Mokka am Eingang mit einer Zigarette an der Feuerstelle und schon lassen sich die Gemälde von Lia Kazakou oder die Arbeiten auf Papier von Diamantis Sotiropoulos bestaunen. Manch einer verläuft sich in die Kellerräume des Gebäudes, wo alles im Zeichen der Erotik steht unter dem Titel Greek Erotica. Und unversehens sprudelt die Box über:

Die Festivalintendantin Sandra von Ruffin moderiert gemeinsam mit dem Schauspieler Vassilis Koukalani die Eröffnungsveranstaltung. Dabei macht die Moderation deutlich, dass dieses Festival seinen Fokus auf das kreative Griechenland in all seinen Facetten legt.

Das Land am Mittelmeer ist in seiner künstlerischen Ausdrucksfähigkeit gewachsen und dieses Wachstum greift die Hellas Filmbox mit ihrem neuen Konzept auf. Das Ziel ein Bewusstsein für den künstlerischen Wandel zu schaffen, führt den Ursprungsgedanken der Initiatoren fort. Ging es im Jahr 2015 zunächst darum, Denkanstöße und andere Sichtweisen gegenüber dem medial gefestigten Bild der Pleite-Griechen aufzuzeigen, ist es 2018 mit der abgeklungenen öffentlichen Aufmerksamkeit die Bewusstwerdung und Präsentation eines starken künstlerischen Ausdrucks – entstanden mit, aus und gerade über die anhaltende Krise hinaus. Dabei hat sich über die Festivaljahre eines nicht geändert, und zwar der Schwerpunkt auf den Austausch und Dialog zwischen den Menschen über jedwede Grenzen hinaus.

In gemütlicher Runde vor dem Berliner Urban Spree und das Copyright: ©Martin Peterdamm

Und so wird im Rahmen des Gesprächs zwischen André Hennicke und seinem Schauspielkollegen Vassilis Koukalani deutlich, dass die Begegnung auf Augenhöhe sowie die Erinnerung an die Vergangenheit unabdingbar für eine gemeinsame Zukunft sind. Dabei erklärt Hennicke, dass er seine Rollen stets versucht menschlich und lebendig zu gestalten. Dies gelingt ihm auch als deutscher Kommandant in dem Spielfilm The Last Note (2017) von Regisseur Pantelis Voulgaris, welcher sich mit der Hinrichtung von 200 griechischen Widerstandskämpfern durch die NS-Besatzer 1944 auseinandersetzt.

Die ersten Gespräche auf der Eröffnungsbühne setzten sich im Verlauf der 5 Tage unter dem Titel Box Talk fort. Auf diese Weise kommen die Berliner Kunstfigur Friedrich Liechtenstein und Regisseurin Eva Stefani ins Gespräch, welche mit ihren Experimental- und Dokumentarfilmen bereits bei der documenta 14 mitgewirkt hat, und Regisseur sowie Oscar-Preisträger Volker Schlöndorff (Oscar-Erfolg mit Die Blechtrommel, 1979) trifft auf den griechischen Filmemacher Yannis Sakaridis (Amerika Square, 2016).

Dank der DJs und Musiker wie Gadjo Dilo oder Alexandros Voulgaris als The Boy (Der Faden, 2016) werden allabendlich die Tage voller Input abgerundet.

Neben dem deutsch-griechischen Künstleraustausch, der Musik und bildenden Kunst, wird der Film nicht vernachlässigt. So hat die Hellas Filmbox auch in diesem Jahr die Wettbewerbssektion New Vision im Programm, welche filmische Mittel und Elemente in veränderten Kompositionen aufleuchten lässt. Dabei verwundert es nicht, dass die Weltpremiere Time is up von Nicolas Pourliaros die Auszeichnung erhält. Pourliaros entwirft eine Mischung aus Spielfilm und Videotagebuch, wobei er diese Elemente gekonnt im Schwarzweißbild verbindet. Der Plot dazu ist genauso anregend, denn der Hauptprotagonist Charis kündigt mit seinem ersten Tagebucheintrag an, dass er sich in den nächsten 48 Stunden umbringen wird.

Das Gefühl von Verlorenheit in Time is up und damit auch die Frage nach dem eigenen Wer zeichnet sich fort in den weiteren Filmvorführungen. Dabei setzen sich sowohl die Dokumentarfilme als auch die griechisch-zyprischen Filmproduktionen mit der Festivalhommage an Zypern immer wieder mit dem Themenfeld Identität auseinander. Damit bewegen sich die Filme teils direkt, teils indirekt nah am Zeitgeist Europas, welches die Dringlichkeit zur Bewusstwerdung seiner Identität zu spüren bekommt – mit rechtspopulistischen Tendenzen, welche versuchen der Identität in seiner politischen Ausprägung einen nationalen Stempel aufzudrücken.

Und so lassen die filmischen Ausgestaltungen spüren, was Identität in ihrem Facettenreichtum bedeutet und wie sehr ein Mensch die Bewusstwerdung zum Selbst und Identifikationsmöglichkeiten braucht. Dies wird besonders im Bereich des griechisch-zyprischen Kinos deutlich. Das Auge der Kamera verfolgt in dem Film Gepäckband von Alexia Roider einen namenlosen Protagonisten bei seinem Treiben in der Wohnung. Dabei nimmt der Flughafenangestellte regelmäßig liegengebliebene Koffer mit nach Hause und erprobt die Inhalte als Identifikationsangebot an sich. Roider zeichnet mit ihrem Film nach, was es heißt auf der Suche zu sein und zu sich selbst zu finden.

 

 

 

Impressionen aus der Box

 

Zum Abschluss der Festivaltage wird die künstlerische, gesellschaftliche und politische Dimension im Urban Spree mit dem Auftritt von Liedermacher Konstantin Wecker unterstrichen. Er warnt vor der Faschisierung Europas und drückt seine Enttäuschung hinsichtlich des politischen Umgangs mit Menschen auf der Flucht aus. So wurde in Deutschland die ursprünglich aus Verständnis und Mitgefühl erwachsene Willkommenskultur durch die Politik ins Negative verkehrt. Doch Wecker gibt die Hoffnung nicht auf und so singt er von seinem Traum von einer grenzenlosen Welt. Schließlich können Gewalt und der Rückzug ins Nationale nicht die Lösung für unsere Welt sein, und so ist der Lösungsschlüssel für den Liedermacher die Poesie mit dem Künstler als Waffe.

Die Kraft der Kunst und ihren Ideenreichtum zu nutzen, stellt sodann Filmemacher Zafeiris Haitidis mit seinem interaktiven Web-Projekt Greek Chronicle Project: Footage Archive unter Beweis. Auf der Onlineplattform finden sich 2200 Aufnahmen von 2011 bis 2016 sowie über 500 Fotos, welche die Proteste in Griechenland sowie die Flüchtlingslage in Idomeni und auf Lesbos dokumentieren. Die Website bietet die Möglichkeit, Videos in Konfrontation zueinander oder chronologisch anzuschauen, und lässt einen anderen Blick auf eine Zeit zu, welche im Rahmen der medialen Berichterstattung durch Eindimensionalität geprägt wurde. Haitidis hat auf diese Weise ein Zeitdokument geschaffen, das bleibt.

Zeichnung auf Papier des Künstlers Diamantis Sotiropoulos
und das Copright: ©Martin Peterdamm

Letztlich zeigen die Künstler bei der Hellas Film-Artbox, dass sie sich ihrer Verantwortung und Kraft bewusst sind in einer sich zunehmend globalisierenden Welt.

Und so geht es weiter mit der künstlerischen Kraft auf der 68. Berlinale. Die Elliniki Gnomi ist auch in diesem Jahr wieder mit dabei und wird von dem Wirkpotenzial bei den Internationalen Filmfestspielen Berlin berichten!

 

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