Ein Gespräch mit Paramythias Vizebürgermeister Dimitri Mamouris

 

„Das deutsch-griechische Verhältnis muss entspannter werden. Ich sage dies als Bürger beider Staaten“

 

Von Sylvia Löser

Foto: Walter Bachsteffel

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Dimitris Mamouris

Paramythia ist eine kleine Stadt im nordwestlichen Epirus. Eine Kleinstadt mit großer Tradition und großen Problemen. Idyllisch gelegen, Bischofsitz und seit vielen Jahrhunderten tendiert die Demografie immer weiter ins Minus. Siebzig Prozent aller jungen Bürger der Stadt sind arbeitslos.

Über die Suche nach Möglichkeiten sprachen wir mit Vizebürgermeister Dimitri Mamouris. Mamouris wurde in Paramythia geboren, studierte in Berlin Betriebswirtschaft und arbeitete viele Jahre als Verantwortlicher in großen Konzernen. Ein Wanderer zwischen zwei Welten. Er besitzt die griechische und die deutsche Staatsangehörigkeit. Seine Frau, seine Kinder und Enkel sind Deutsche.

Elliniki Gnomi: Dimitri Mamouris, als Verantwortlicher für Wirtschaft und Finanzen der Stadt Paramythia werden sie gerne von jungen Leuten um Rat gefragt.

Was sind das für junge Menschen? In welchem Alter sind sie und welchen Hintergrund haben sie?

Mamouris: Der überwiegende Teil von ihnen ist hochqualifiziert. Es sind Absolventen der Hochschulen, der Technischen Universitäten, aber auch Realschüler und Arbeitslose. Für sie ist es hier bei uns praktisch aussichtslos Arbeit zu finden. Genau aus diesen Gründen werde ich oft gefragt: „Was können wir tun?“

Elliniki Gnomi: Welche Probleme werden vorwiegend angesprochen, welche Fragen gestellt?

Mamouris: Sie haben keine Perspektiven, sie sehen keine Hilfe vom Staat. Hier bei uns gibt es nur begrenzte Möglichkeiten. Es gibt Land- und Viehwirtschaft und daneben einen unterentwickelten Bereich. Den Bereich des Alternativen Tourismus, dem leider eine gesunde Basis fehlt – nämlich eine dazu gehörende Infrastruktur.

 

Elliniki Gnomi: Können sie uns etwas über Ihre größten Befürchtungen sagen?

Mamouris: Meine größte Befürchtung ist eine Resignation der jungen Leute, die als Folge dann diesen Landstrich verlassen, um irgendwo Arbeit zu finden. Ein Teil von ihnen – nämlich die Hochqualifizierten – werden ins Ausland gehen. Andere suchen Arbeit in Großstädten. Nur ein Teil wird in der Landwirtschaft bleiben, um die Arbeit ihrer Eltern fortzusetzen. Dieser Teil allerdings wird nicht von der Regierung gefördert. Im Gegenteil, denn ganz offen gesagt: Ich sehe schwarz. Es ist ein Albtraum. Ich sehe hier ein Riesenaltersheim!

 

Elliniki Gnomi: Was geben Sie den Jugendlichen mit auf den Weg?

Mamouris: Der erste Rat von mir ist: Wenn ihr etwas anfangt, macht es richtig. Nicht resignieren, sondern weiterkämpfen. Hört nicht auf den Verantwortlichen in den Behörden immer wieder eure Probleme vorzutragen. Und macht euch selbst Gedanken, was ihr verändern könnt und müsst. In drei Bereichen gibt es nach meiner Meinung Möglichkeiten. Wir haben eine wunderschöne Landschaft, die für Alternativen Tourismus prädestiniert ist. Zwei weitere Bereiche möchte ich noch ansprechen – Umwelt und Dienstleistung für den Menschen. Arbeit wäre vorhanden und Leute, welche diese Arbeit qualifiziert angehen könnten, ebenfalls. Man muss es allerdings richtig angehen. Man muss mit diesen Menschen reden und ihnen gegebenenfalls fehlende Qualifikationen anbieten.

Elliniki Gnomi: Welche konkreten Perspektiven gibt es in Paramythia für die Zukunft der jungen Leute?

Mamouris: Wenn sich nichts ändert, gibt es keine Perspektiven für die jungen Leute. Mein Vorschlag ist, dass eine Art Denkfabrik gegründet wird, wo die Absolventen der Universitäten und der Technikerschulen gemeinsam Probleme zusammenfassen. Ziel muss sein, Lösungen für diese Probleme zu suchen und zu finden, um Arbeitsplätze zukunftssicher zu schaffen.

 

Elliniki Gnomi: Welche Institutionen oder Menschen können dabei Hilfestellungen anbieten?

Mamouris: Neben den richtigen Leuten sind natürlich finanzielle Mittel erforderlich. Allerdings kommt dabei erschwerend hinzu, dass generell in unserer Gegend vieles oberflächlich – sozusagen nur für ein Schaufenster gemacht wird, ohne in die Tiefe zu gehen.

In der Vergangenheit wurden häufig politische Entscheidungen getroffen, die nur eine kurze Wirkung hatten und nicht auf eine langzeitige Änderung bedacht waren – nur um Wählerstimmen für den Moment zu gewinnen.

Manche jungen Leute haben aus diesem Verhalten drastische Konsequenzen gezogen und sich in rechts- oder linksradikale Parteien geflüchtet. Das kann aber nicht Zukunft für diese jungen Menschen sein. Erst einmal muss ich sagen, dass die gewählten Vertreter nichts für die Infrastruktur getan haben. Oder sie machten nur das, was die Leute sehen wollten. Alles nur für eine kurze Dauer und sie schafften keine Arbeitsplätze. Ich erwähne ein Beispiel: Hier ist die größte Fläche für Landwirtschaft. Es gibt ausgedehnte Wälder. Ich verstehe deshalb nicht, dass die gesamte Verwaltung in der Hauptstadt Igoumenitsa zentriert wurde. Warum müssen die Menschen 70 km nach Igoumenitsa fahren, teures Benzin bezahlen, die Umwelt verschmutzen und sich der Gefahr eines Unfalles aussetzen, wenn es auch anders möglich wäre?

Elliniki Gnomi: Sie malen ein düsteres Szenario. Der griechische Finanzminister sieht dagegen „Licht am Ende des Tunnels“. Einige Parameter deuten scheinbar eine leichte Verbesserung an. Alle deutschen politischen Stiftungen arbeiten hart in Griechenland, ebenso wie einige NGO´s und ehrenamtliche Verwaltungsexperten. Dazu kommt seit mehr als zwei Jahren die zunehmende Vernetzung von deutschen und griechischen Kommunalverwaltungen durch die Bemühungen der Deutsch-Griechischen Versammlung (DGV). Licht am Ende oder Schwärze im Tunnel?

Mamouris: Es ist sehr gut das es diese Hilfsangebote gibt und sie zeitigen langsam ihre Wirkung. Ich sage dies ausdrücklich auch als Mitglied der DGV. Diese Arbeit hat viel erbracht. Allerdings lässt der politische Wille zur Erneuerung in weiten Bereichen noch zu wünschen übrig. Der Bürger ist in der Regel zufrieden, wenn eine Straße von 20 Metern zu seinem Haus gelegt wird und wählt dann immer noch den „Spender“. Damit aber entstehen keine Arbeitsplätze. Wenn deshalb Jugendliche auf der Suche nach Arbeit ihre Heimat verlassen, wird sich der Mangel an Qualifizierten bald bemerkbar machen und auch nicht in absehbarer Zeit von den Ausbildungsstätten behoben werden können.

Auf jeden Fall aber gilt: Das deutsch-griechische Verhältnis muss entspannter werden. Ich sage dies als Bürger beider Staaten.

In Deutschland bin ich Grieche und in Griechenland Deutscher. Es gibt wie immer zwei Seiten. Eine, die Hilfe anbietet und eine, die diese annimmt. Alternativlos ist derzeit ein viel gebrauchtes Wort. Alternativlos ist tatsächlich eine Annahme von Hilfe. Zum Wohle Griechenlands und zum Wohle der Zukunft seiner jungen Leute.

 

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