von Jannis Vassiliou*

Unternehmen von Migrantinnen und Migranten und von ihren Nachfahren spielen für den Wirtschaftsstandort Deutschland eine immer wichtigere Rolle. Die Auswertung des Mikrozensus 2008, die zum ersten Mal den Migrationshintergrund berücksichtigte, ergab, dass rund 623.000 Personen aus dieser Bevölkerungsgruppe ihren eigenen Betrieb gegründet haben. 30.000 davon sind griechischer Herkunft, geben über 130.000 Menschen einen Arbeitsplatz und organisieren einen Umsatz von gut 13 Mrd. Euro jährlich. Zu diesem Potenzial gehöre auch ich, der seit 48 Jahren einen Betrieb für Goldschmiedekunst und Gemmologie in Bonn führe und als Vizepräsident der Deutsch-Hellenischen Wirtschaftsvereinigung DHW mich bundesweit für mehr Ausbildungsbetriebe unter meinen Landsleuten aktiv einsetze.

Das ist auch deshalb so wichtig, weil während die Zahl der Unternehmen nicht-deutscher Herkunft und ihrer Mitarbeiter stetig wächst, ihre Beteiligung an der dualen und trialen Ausbildung relativ niedrig ist. Durchschnittlich bildet jeder vierte Betrieb in Deutschland aus, von den Selbstständigen mit Migrationshintergrund hingegen schätzungsweise nur jeder siebte. Der Hauptgrund ist ein Mangel an Information. Gerade diejenigen, die durch den eigenen Werdegang nicht oder nur wenig mit dem deutschen Bildungssystem vertraut sind, wissen häufig nicht, dass sie ausbilden können. Hinzu kommen bürokratische Hemmnisse und finanzielle Bedenken.

Hier will die DHW Abhilfe schaffen. Gemeinsam mit Partnern aus Politik, Industrie, Handel, Handwerk und Verwaltung entwickelt die DHW Strategien und Maßnahmen, um mehr Unternehmerinnen und Unternehmer mit Migrationshintergrund für die duale Ausbildung zu gewinnen  und so die Zahl der Ausbildungsplätze für alle Jugendlichen, gleich welcher Herkunft zu erhöhen. Von 2006 bis 2009 hat die DHW in Kooperation mit der IHK und der HWK zu Köln das Projekt NEO XEKINIMA durchgeführt und erfolgreich über 80 Unternehmen als Ausbildungsbetriebe hinzugewonnen. Von 2009 bis 2012 war die DHW Trägerin des Ausbildungsprojektes „Brücke zur Qualifizierung und Integration“. Mit diesem Projekt konnten einerseits weitere 100 Ausbildungsplätze in Unternehmen mit Inhabern mit Migrationshintergrund geschaffen und andererseits Schüler, Lehrer und Eltern mit griechischem Migrationshintergrund für die duale Ausbildung gewonnen werden. Um letzteres Ziel zu erreichen, wurden modellhaft Kooperationen zwischen den griechischen Schulen in Deutschland und der regionalen Wirtschaft aufgebaut. Das Projekt war so erfolgreich, dass es im September 2012 vom Bundesministerium für Bildung und Forschung zum „Projekt des Monats“ erkoren wurde. Damit wurde es einen Monat lang auf dem offiziellen Internetauftritt des Ministeriums beworben und als Vorbildprojekt vorgestellt. Gleichzeitig wurde über einen Link auf die Seite des DHW-Ausbildungsprojektes sowie drei Pressemitteilungen der DHW zu verschiedenen Aktivitäten im Rahmen des Projektes hingewiesen.

Ende 2013 gab der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF), Thomas Rachel MdB, die Übernahme der KAUSA Servicestelle Köln durch die DHW bekannt. Damit startete das dreijährige Projekt im Rahmen des bundesweiten BMBF-Ausbildungsstrukturprogramms „JOBSTARTER-Für die Zukunft ausbilden“ als regionale Koordinierungs- und Informationsstelle für Ausbildung und Integration. In 2016 wurde der Auftrag der Servicestelle um zwei Jahre verlängert und seitdem auch für die Beratung und Information von jungen Flüchtlingen zu Ausbildungsmöglichkeiten erweitert. Ziel der Servicestellen ist, vorhandene Strukturen in der beruflichen Bildung mittels regionaler Kooperationen für die Zielgruppen zu öffnen, eine regionale Vernetzung aufzubauen, mehr Ausbildung durch Kompetenzförderung und Verbesserung des Informationszugangs zu erreichen und schließlich eine Nachhaltigkeitsstrategie zu entwickeln. Zielgruppe sind die Akteure im Bildungsnetzwerk, Jugendliche und deren Eltern, sowie Unternehmer mit Migrationshintergrund. Partner der Servicestelle sind die Kammern, die Agenturen für Arbeit, die Städte und ihre Integrationszentren, mehrere Generalkonsulate, Kirchen und Verbände, Eltern- und Jugendvereine, Unternehmen und Ausbildungsbetriebe.

Ausbildungspartner und regionale Unternehmer werden auf die Gruppe der Schüler mit Migrationshintergrund und Flüchtlinge für die Berufsorientierung sensibilisiert. Regionale Angebote beruflicher Orientierung (Besuch von Berufsmessen, Bewerbungstrainings und Betriebspraktika) werden in Schulen gezielt angeworben. Gleichzeitig verfolgen die Servicestellen als langfristige Strategie, bundesweit „Kooperationen zwischen Schule und Wirtschaft“ als Transfer anzubieten.

Viele Unternehmer haben durch die Projekte der DHW und der Servicestellen inzwischen erkannt, dass der Einstieg als Ausbildungsbetrieb sich dann sehr oft als „der Anfang von Professionalisierung“ ihrer Unternehmen erweist. Denn dadurch öffnen sie sich, erfahren mehr Akzeptanz, werden in Fachgesprächen eingebunden – und bilden sich selbst weiter. Das ist ein nicht zu vernachlässigendes Gut, das auch zur vollen Integration der Betriebe in den deutschen Arbeitsmarkt führt. Wenn wir das erreichen, haben wir in zweierlei Hinsicht gewonnen, sowohl für den Unternehmer/Ausbilder als auch für den Ausbildenden/zukünftigen Unternehmer.

*Jannis Vassiliou ist seit 1969 Goldschmied und Gemmologe in Bonn, ehrenamtlicher Handelsrichter am Landgericht Bonn, Ausbildungsbotschafter der IHK Bonn-Rhein/Sieg und Vizepräsident der Deutsch-Hellenischen Wirtschaftsvereinigung DHW

 

 

 

 

 

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