des Metropoliten von Deutschland und Exarchen von Zentraleuropa Augoustinos.

„Die Fahrt über das Meer mitten in der Nacht,
nirgends Licht, und Christus schläft …“

(Hl. Gregor der Theologe)

Liebe orthodoxe Christen in Deutschland,

zum Jahresbeginn heißen wir nicht nur das neue Jahr willkommen, sondern feiern auch das Gedächtnis des heiligen Basilius des Großen, des Erzbischofs von Cäsarea in Kappadozien. Dieser Kirchenvater und Lehrer des Erdkreises hat sich vor allem durch sein reiches theologisches Vermächtnis und sein eindrucksvolles caritatives Wirken ausgezeichnet und ist der Stolz der Kirche durch die Jahrhunderte.

Nach dem Tod des hl. Basilius hat sein Freund, der heilige Gregor der Theologe, der mit ihm alle Kämpfe und Sorgen für die Kirche geteilt hat, einen Brief an den Rhetor Eudoxios geschrieben. In diesem kurzen Brief beschreibt er seinen durch viele traurige Ereignisse veranlassten Schmerz.

Zuerst trauert der heilige Gregor über den Verlust des großen Basilius, der für ihn ein geistiger Bruder war. Darauf erwähnt er mit Bitterkeit das Alter mit seinen körperlichen Beschwernissen, aber auch die Schwierigkeiten des Lebens und den Verrat durch Freunde. Das Leben gleiche einer nächtlichen Seefahrt ohne Licht. Christus aber schlafe, wie er poetisch hinzufügt, und er frage sich, ob es in all dieser Bedrängnis überhaupt einen Ausweg gebe.

Wie aktuell sind doch diese Worte des heiligen Basilius und wie tief gehen sie uns gerade heute zu Herzen! Alle, die wir den Tod uns in Liebe verbundener Menschen erlebt, die Ohnmacht der Krankheit gekostet, die Nöte des Lebens ertragen, Einsamkeit und Verrat durch Freunde und Verwandte erfahren haben – wir pflichten dem heiligen Gregor bei. In der Tat ähnelt das Leben nur zu oft einer Reise durch die Nacht. Und es gibt Momente, in denen wir uns mitten im alltäglichen Kampf so einsam fühlen, dass wir alle Hoffnung verlieren.

Und dann wird uns das schreckliche Bild des schlafenden Christus so vertraut! Dieses Bild beschreibt das Drama jedes Menschen, der von der Empfindung gequält wird, Gott sei abwesend, und das gerade in den schwierigen Momenten seines Lebens. Das erinnert uns auch an jenen Bericht des heiligen Evangelisten Lukas, nach dem Christus inmitten eines Seesturms eingeschlafen war und die Jünger ihn in ihrer Ausweglosigkeit mit dem Wort weckten: „Herr, wir gehen zugrunde!“ Jener aber stillte das Toben des Windes, schalt seine Jünger wegen ihrer Furchtsamkeit und stellte ihnen die Frage: „Wo ist euer Glaube?“

Diese Frage bleibt im Lauf der Zeit unverändert aktuell und richtet sich an uns alle, die wir, wie es nur natürlich ist, immer wieder in Furcht geraten, weil wir fühlen, dass uns der Boden unter den Füßen weggezogen wird und dass wir vollkommen einsam sind. Vielleicht ist ja gerade das unsere Tragödie: Während Christus alles tut, unsere Erlösung herbeizuführen, sind umgekehrt gerade wir es, die schlafen, weil wir uns auf unsere eigenen Fähigkeiten und Planungen verlassen.

Wenn es etwas gibt, das uns wirklich Halt gibt und Licht in unser Dunkel bringt, unseren Erfahrungen Sinn und unserer Freude Perspektive verleiht, so ist es der Mut, den uns der Glaube schenkt, unsere Verbindung mit Christus. Christus will nicht, dass wir zugrunde gehen, und stellt mit einem einzigen Wort den Frieden gerade da wieder her, wo eben noch die großen Schlachten tobten: in unseren Herzen.

Also verdichtet sich alles zu einer einzigen Frage: Wo ist unser Glaube? Das ist die fundamentale Frage, der wir uns im kommenden Jahr stellen müssen. Die Antwort darauf ist gewiss die ganz persönliche Sache eines jeden von uns; doch zugleich ist sie ebenso sehr eine Frage an uns alle zusammen, weil wir alle zusammen die Glieder des einen Leibes Christi sind, jenes Leibes, der uns sakramental mit Ihm und miteinander vereint, damit wir nicht einzeln, sondern geschwisterlich gemeinsam gerettet werden.

Das ist also mein väterlicher Wunsch für das Jahr 2011 und weit darüber hinaus: Lasst uns eine positive Antwort auf die Frage Christi finden! So wächst der Glaube von Tag zu Tag. So werden wir mitten im Dunkel unserer Tage zu Lichtern voller Glanz und Wärme.

Bonn, am Neujahrstag 2011

In väterlicher Liebe

† Metropolit Augoustinos von Deutschland

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