Von Schlangen, Mücken und Gold

 

Von Sylvia Löser – Walter BachsteffelNekrom1

 

Düster und eindrucksvoll schildert Homers Odyssee die Irrfahrten des antiken Helden. Schon fast in der Heimat angelangt, muss Odysseus nach dem Rat der Göttin Kirke noch die Unterwelt, den Hades, besuchen.

„Edler Laertiad, erfindungsreicher Odysseus,
Nicht mehr sollt ihr mit Zwang
in meinem Hause verweilen.
Doch erst anderswohin gebührt euch die Fahrt,Nekrom
daß ihr kommet zu Aides (Hades: die Autoren) Reich und der schrecklichen Persefoneia,
um des thebischen Greises Teiresias
Seele zu fragen,
jenes blinden Propheten, dem ungeschwächt der Verstand ist;
ihm gewährt den Geist im Tode´ auch Persefoneia, daß er allein wahrnehm;
denn andre sind flatternde Schatten.“

Nur unter Einhaltung strenger Regeln sollte es ihm dort gelingen, längst Verstorbene und auch seine tote Mutter über sein Schicksal zu befragen.nekrom 7

„Ich nun selbst blieb fortwährend daselbst,
bis endlich die Mutter naht´,
und des schwärzlichen Blutes einschlürfete.
Nun mich erkennend,
sprach sie mit Jammergestöhn alsbald
die geflügelten Worte:
„Wie, mein Sohn,
wie kamst du herab zum finsteren Dunkel
lebend annoch?
Schwer ist´s ja den Lebenden, dies zu erschauen!“nekrom 8

Acheron, der Todesfluss, bedeutete nach Homer den Zugang ins Reich der Toten. Am Acheron standen auf dem Hügel von Ephyra in alter Zeit zwei prächtige Tempel. Der Palast der Persephone und des Hades wie auch das Heiligtum des Todesorakels. Unterhalb des Hügels dehnte sich der heute verschwundene See Acherousia aus.
Das Totenorakel wurde im dritten vorchristlichen Jahrhundert erbaut und besteht aus mehreren verwinkelten Gebäuden.: Hauptgebäude, drei Gänge, Vorbereitungsräume für Bittsteller, Kammern für die Priester und der gut erhalten Polygonal-Außenmauer.
Von weit her kamen Pilger, die sich von ihren Toten Ratschläge für die Zukunft erhofften. Selbst der Tyrann von Korinth, Periandros, schickte Ende des 7. Jh. v. Chr. eine Delegation zu den „Thesprotern am Flusse Acheron“. Sie sollte seine verstorbene Gattin Melissa nach einem Schatz befragen. Nach strengen Reinigungsritualen, langer Vorbereitung und vermutlich auch unter dem Einfluss berauschender Drogen übermittelten dann Priester die Weissagungen. Auch dem Periander konnte nach der Überlieferung geholfen werden. Nekrom5
167 v. Chr. fiel das alte Heiligtum den Flammen der Römer zum Opfer, als diese den Epirus eroberten. Über den Trümmern entstand ein kleines Kloster des Ai-Jannis als Besitz des Bergs Sinai; sie wurden dadurch der Nachwelt erhalten. Zahlreiche Mythen umwoben auch den christlichen Nachfolger des Totenorakels. Unterhalb wurden große Schätze vermutet, die der Sage nach von Geistern und Schlangen bewacht wurden.

„Es heißt, dass es drei Kessel unten gab. Einen voll Schlangen; einen zweiten voll Mücken; einen dritten voll Gold.
Ein großer Geist wache über alle drei.“

Die Jahre gingen dahin und das alte Heiligtum geriet in Vergessenheit. 1923 wurden auch die Ländereien des kleinen Klosters enteignet, aus dem Kloster Ai Jannis wird eine Kapelle des Dorfes Lykoursi. 1948 gründen die Einwohner von Lykoursi und Bosere, deren Dörfer von den Deutschen zerstört wurden, auf dem antikem Boden von Ephyra ein neues Dorf mit dem Namen Mesopotamos. Noch 1950 rollten spielende Kinder die Steine einer vergessenen, großen Vergangenheit den Hügel von Ephyra hinab. Nekrom6
Es bedurfte der Anregungen eines Spyros Mouselimis aus Paramythia, diese Vergangenheit zu entschleiern. Nach seinen Hinweisen entschloss sich Prof. S. Dakaris, auf der Spitze des Felsens am Zusammenfluss von Kokytos und Acheron zu graben. In den Jahren 1958 bis 1964 wurden das antike Totenorakel unter der Kirche Ai Jannis und der Friedhof freigelegt. Das unterirdische Gewölbe des Orakels, die großen Vorratsgefäße aus dem 3.-4. Jh. v. Chr., mächtige Polygonalmauern und eine bevorzugte Lage locken viel Touristen aus dem nahe gelegenen Parga an.
Mit etwas Glück kann an der Kasse des Nekromanteions Athanassios angetroffen werden. Hier tut er seit mehr als 30 Jahren seinen Dienst, geduldig und freundlich beantwortet er neugierige Fragen. Als Zeitzeuge, der 1963 bei kleineren Ausgrabungen Prof. Dakaris zur Hand ging und Sp. Mouselimis kennenlernte, kann er viel über diesen geschichtsträchtigen Ort erzählen.

 

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