Europas Entwicklung nach Griechenland.
Anastasios Vassiliadis *
Die Situation in Europa, wie sie sich durch die Wirtschaftskrise in Griechenland entwickelt hat, ist sicherlich unbefriedigend und frustrierend. Doch sie birgt Chancen für all jene, die fest an ein vereintes und prosperierendes Europa glauben.
Durch die Krise in Griechenland wurden Stimmen laut, die inzwischen auf fast allen Ebenen von einem „Europäischen Wirtschaftsfonds“, „Europäischen Rating-Agenturen“, einer „Europäischen Wirtschaftsregierung“ und sogar „Europäischen Anleihen“ sprechen und nach solchen rufen. Das alles ist sicherlich erforderlich und notwendig, wenn Europa im Zeitalter der Globalisierung seine Rolle neu definieren und sich im globalen Kontext neu positionieren möchte.
Warum Griechenland?
Bevor große Staaten der Euro-Zone unüberwindbare wirtschaftliche Probleme aufweisen, lernt man innerhalb Europas von den Fehlern im Umgang mit Griechenland. Griechenland ist in der Eurozone eine „Quantité négligeable“ (eine nicht zu berücksichtigende Menge). Sein Anteil an der Gesamtwirtschaft der Eurozone ist so groß wie der des Bundeslandes Hessen. Das Problem ist die hohe Staatsverschuldung, deren Zinsen und Zinsenszinsen jegliches Wachstum hemmen. Deshalb müssen innereuropäische Mechanismen her, die neben dem Hilfspaket die griechische Realwirtschaft in Fahrt bringen. Die Bundesregierung unter Führung der Union hat dafür die notwendigen Schritte beschlossen und in einer Vereinbarung Griechenland logistische und administrative Hilfe und Unterstützung angeboten. Bundeskanzlerin Merkel hat alle Ministerien angewiesen, Maßnahmen und Programme zu entwickeln, damit die von der griechischen Regierung beschlossenen Reformen zügig realisiert werden. Doch ist die sozialistische Regierung Griechenlands dazu bereit und gewillt?
Historischer Rückblick
Nach dem Fall der Diktatur und der Wiederherstellung der Demokratie von 1974 bis 1981 waren Griechenlands Haushalte ausgeglichen. Die konservative Nea Demokratia (ND/EVP) übergab 1981 an die Sozialisten eine Staatsschuld von ca. 2 Milliarden Euro, das waren 26 Prozent des damaligen Bruttoinlandsprodukts (BIP). Die selbstverursachten Schulden der zweiten Regierungsperiode der ND von 1990 bis1993 waren 2 Milliarden Euro und die Schulden der dritten Regierungsperiode von 2004 bis 2009 waren 7 Milliarden Euro.
Die restlichen 289 Milliarden Euro, mit denen die Sozialisten heute zu kämpfen haben, sind Schulden der sozialistischen PASOK-Regierungen seit 1981. Alleine die Zinsen, die für diese Schulden von den Regierungen der ND in den Jahren 1990-1993 und 2004-2009 bezahlt worden sind, betragen 91 Milliarden Euro.
Die Regierung Karamanlis (2004-2009) hat trotz ihrer breiten Parlamentsmehrheit in der ersten Legislaturperiode versäumt, die entscheidenden Reformen und Umstrukturierungen durchzuführen. Die 2007 geschrumpfte knappe Mehrheit machte dies noch schwieriger. Der von Karamanlis angestrebte Konsens mit Oppositionsführer Giorgos Papandreou gelang nicht. Die Opposition zeigte sich demagogisch, uneinsichtig und unkooperativ. Papandreou verweigerte die Zusammenarbeit, bekämpfte vehement jegliche Reformen und verhinderte jede größere Investition im Land. Er betrieb Klientelpolitik und stellte sich auf die Seite der Gewerkschaftsbosse, statt an der Gesundung des Systems mitzuarbeiten. „Geld ist genug da“ war seine Losung trotz ausführlicher Aufklärung über die Situation des Landes durch Karamanlis selbst und den Gouverneur der Zentralbank von Griechenland. Unter diesem Motto führte er auch seinen Wahlkampf und das Volk schenkte ihm sein Vertrauen.
Doch die Sozialisten waren unvorbereitet und programmlos. Das Volk traut ihnen nicht mehr und bei den Kommunalwahlen im November 2010 – ein Jahr nach ihrem Sieg – verweigerten ihnen über eine Million Wähler die Stimme. Nun muss Papandreou und seine PASOK zwischen diesem hohen Vertrauensverlust an der Basis und den starken linken und gewerkschaftlichen Flügeln der Partei jonglieren.
Antonis Samaras und die Opposition der ND
Die ND als Griechenlands stärkste pro-europäische Bewegung ist nach der Wahl ihres neuen Vorsitzenden, des früheren Wirtschafts- und Außenministers sowie Europaabgeordneten Antonis Samaras, sich ihrer großen Verantwortung bewusst. Sie monierte die Untätigkeit und die Fehlentscheidungen der neuen sozialistischen Regierung und empfahl eine auf Schuldenabbau, Reformen, Wachstum und Wirtschaftsförderung basierende Politik statt der Perspektivlosigkeit der reinen Kredithilfe. Das wäre eine gute Basis für eine Annäherung und einen Konsens. Doch dies machte die sozialistische Regierung durch die Ankündigung von stets neuen Untersuchungsausschüssen, die angebliche Skandale der Vorgängerregierung der ND aufdecken sollten, unmöglich.
Antonis Samaras hat den festen Willen die ND zu reformieren und ihr ein Grundsatzprogramm zu geben. Mit einem Team von jungen Politikern und Technokraten ist er bereit, das Land aus dem ausweglosen Tief und der allgegenwärtigen Depression und Rezession zu führen. Hierfür braucht er aber auch die Unterstützung seiner Partner in der EVP. Dabei gilt Deutschland mit seiner Wirtschaft und dem system-stabilisierenden Mittelstand als großes Vorbild.
Wie oben erwähnt hat die unionsgeführte Bundesregierung ihre Bereitschaft hierfür demonstriert und in die Tat umgesetzt. Ministerien, Verbände, Kammern, Gewerkschaften und Organisationen der Zivilgesellschaft werden von deutscher Seite aufgefordert, ihren Beitrag zu leisten und an der wirtschaftlichen Entwicklung Griechenlands mitzuwirken.
Auch die griechische Diaspora in Deutschland ist gefordert. Von unternehmerischer Seite tut dies die Deutsch-Hellenische Wirtschaftsvereinigung (DHW), die in engem Kontakt zu den entsprechenden Bundesministerien, dem BDI und DIHK steht. Dabei werden Kontakte zur Mittelstandsvereinigung und dem Wirtschaftsrat der Union genutzt, um „best practice“-Potenziale zu orten und diese für obige Ziele zu nutzen. Das „Muster-Ländle“ Baden-Württemberg befindet sich demnach im Zentrum der Beobachtung griechischer Politiker und Unternehmer.
Deutschland und Europa profitieren von einer Stabilisierung Griechenlands
Ein Ausscheiden Griechenlands aus der Währungsunion würde den Anfang vom Ende der heutigen Union bedeuten. Das wäre eine Entwicklung, die nicht im politischen und wirtschaftlichen Interesse Deutschlands liegt. Keiner darf vergessen, dass seit Einführung des Euros Deutschland einen Netto-Gewinn von 900 Milliarden Euro erwirtschaftet hat. Man muss Vernunft walten lassen. Deshalb hat die Bundesregierung eingelenkt. Deutschland wird Griechenland bis 2012 22,4 Milliarden Euro an Krediten zahlen.
Doch Griechenland braucht nicht nur Kredite. Es braucht auch Investitionen. Investitionen nicht nur im Bereich der Industrie, sondern vornehmlich im Bereich von kleinen und mittleren Unternehmen. Griechenland braucht einen soliden, produktiven und exportorientierten Mittelstand. Das menschliche Potenzial dazu hat es. Ihm fehlen lediglich die Mittel und die richtigen Rahmenbedingungen, damit es aus eigener Kraft rasch in die Topliga der europäischen Wirtschaft zurückkehrt.
Eines sollte man auf keinen Fall vergessen. Wie sagte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble in einem Interview zum Hamburger Abendblatt: „Wir haben mehr Verantwortung für den Euro als andere, weil wir das größte, stärkste und erfolgreichste Land sind. Wir dürfen keine Schwächung der gemeinsamen Währung zulassen. Staaten wie Griechenland zu helfen liegt in unserem eigenen Interesse. Man muss sich nur mal den deutschen Außenhandel anschauen: Zwei Drittel gehen in Länder der Euro-Zone.“
Für mehr Informationen:
DHW – Deutsch-Hellenische Wirtschaftsvereinigung,
Bonner Str. 536, 50968 Köln
www.dhwv.de
* Anastasios Vassiliadis ist Vorstandsmitglied im CDU-Stadtverband Ludwigsburg, Landesvorsitzender der Nea Demokratia Baden-Württemberg, Mitglied DHW und MIT.
Quelle: Mitgliederzeitschrift des CDU-Stadtverbandes Ludwigsburg „Treffpunkt“