Berlin: Von Evdokia Prassa.

Eutin, Schleswig-Holstein

Anlässlich des alljährlichen Gedenktages für die Opfer des Nationalsozialismus am 27. Januar fand am Vorabend dieses Jahres in der Kreisbibliothek Eutin die Veranstaltung „NS – Verbrechen in Griechenland“ statt. Diese wurde vom Arbeitskreis 27. Januar Eutin, Friedenskreis Eutin, Amnesty International und von der Kreisbibliothek Eutin organisiert. Gastredner Prof. Schminck-Gustavus, Rechtshistoriker an der Universität Bremen, las aus seinem Buch „Feuerrauch“ (Dietz Verlag). Dieses handelt von den Kriegsverbrechen deutscher Gebirgsjäger im Dorf Lyngiades während der Besatzungszeit Griechenlands durch die Achsenmächte.

Ziel des Arbeitskreises 27. Januar Eutin ist das Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus während des zweiten Weltkriegs aufrechtzuhalten. In diesem Jahr haben sich die Organisatoren gemeinsam auf die Kriegsverbrechen der deutschen Wehrmacht in Griechenland konzentriert. Eine besondere Rolle spielte dabei das nordgriechische Dorf Lyngiades, wo Soldaten der Deutschen Wehrmacht, am 3. Oktober 1943, 83 Bewohner erschossen und den Ort vernichteten. Dementsprechend wurde Prof. Schminck-Gustavus zu der Veranstaltung eingeladen, der einen fundierten Vortrag einbrachte. Der Hintergrund seiner Auseinandersetzung mit den Kriegsverbrechen in Lyngiades ist ein persönlicher. So lernte der Professor in den achtziger Jahren einen griechischen Jurastudenten an der Universität Bremen kennen. Diese Bekanntschaft resultierte aus der Unterstützung, die Prof. Schminck-Gustavus dem Studenten bei Problemen mit der deutschen Sprache zukommen ließ. Nach einer Weile lud der Student zu einem Besuch in seinem Heimatdorf Lyngiades ein. Der Professor folgte dieser Einladung und erfuhr vor Ort die Geschichte der Vernichtung des Dorfes. Aufgrund dessen traf er die Entscheidung sich eingehender mit den Kriegsverbrechen des Dritten Deutschen Reiches in diesem Dorf auseinanderzusetzen. Er recherchierte und dokumentierte seine Ergebnisse. Im Rahmen seiner Forschung führte er 1989 Interviews mit Überlebenden des Massakers in Lyngiades durch und lernte Neugriechisch, um die Originalquellen in den Archiven einsehen zu können.

Im Rahmen seines Vortrags konfrontierte er die Zuhörerinnen und Zuhörer mit der Vernichtung der Bevölkerung von Lyngiades, die als Vergeltung für die Ermordung des Regimentskommandeurs Josef Salminger und seiner Fahrer durch Partisanen ausgegeben wurde. So wurde zunächst das Dorf zum „Partisanennest“ erklärt, obwohl es keine handfesten Hinweise dafür gab. Anschließend erteilte der General der Gebirgstruppe Hubert Lanz den Befehl, alle Einwohner von Lyngiades zu ermorden. Am 3. Januar 1943 drangen Mittenwalder Gebirgsjäger (aus Bayern) in das Dorf, versammelten die Einwohner auf dem Dorfplatz und erschossen sie in kleinen Gruppen. Anschließend raubten sie Lyngiades aus und steckten die Häuser beim Verlassen in Brand. Dieses Blutbad überlebten nur fünf Leute, die sich verletzt oder unverletzt unter den Leichen ihrer Familien und Nachbarn tot stellten.

Prof. Schminck-Gustavus
Prof. Schminck-Gustavus

Nach dem Ende des zweiten Weltkriegs wurde Hubert Lanz im sogenannten Nürnberger Geiselmord-Prozess vor Gericht gestellt, da ihm mehrere Massaker in Griechenland und in der Balkanregion zu Last gelegt wurden. Allerdings war seine Untat in Lyngiades dem Gericht zu diesem Zeitpunkt nicht bekannt. Er wurde schließlich zu zwölf Jahren Haft für seine Gräueltaten verurteilt. Allerdings erfolgte seine Entlassung aus dem Gefängnis bereits 1951. Etwas später wurde Lanz FDP Mitglied, wo er sich mit militärischen und sicherheitspolitischen Fragen der Partei befasste.

Klaus Wächtler, einer der Mitorganisatoren der Eutiner Veranstaltung, berichtet der Elliniki Gnomi, dass Bundespräsident Joachim Gauck 2014 Lyngiades besucht hat. Im Rahmen seines Staatsbesuches kam er, zusammen mit dem ehemaligen griechischen Staatspräsidenten Karolos Papoulias, in das Dorf, um der Opfer zu gedenken. Weiter erzählt Wächtler von der Verwunderung Gaucks, dass dieses Massaker kaum in der Öffentlichkeit bekannt ist. So war er der erste deutsche Staatsvertreter, welcher im Namen Deutschlands die Familien der Ermordeten um Verzeihung bat.

Die Mitglieder des Arbeitskreises 27. Januar in Eutin haben nun einen Brief an den Bürgermeister von Lyngiades verfasst. Darin drücken sie ihre Anteilnahme aus und versprechen ihm, dass sie sich weiterhin für das Gedenken der Opfer der NS-Diktatur in Griechenland und anderswo einsetzen werden.

 

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