Von Athanasia TheelMartin-Darting-03

Können Sie kurz erklären, wie das Konzept des sensorischen Weinbilds funktioniert?

Es gibt zwei Möglichkeiten. Die erste ist sehr einfach: Gefällt jemanden das Bild schmeckt ihm auch (zu 80%) der entsprechende Wein dazu. Also gucken und genießen!

Nun zur zweiten Möglichkeit, wobei zunächst zusagen ist, dass diese Bilder keine Interpretationen sind – also keinen künstlerischen Ansatz verfolgen. Sie dokumentieren vielmehr die Inhaltsstoffe im Wein in ihrer Kombination und Abfolge in Nase und Mund. So gibt es selbstverständlich Menschen, die an bestimmten Stellen vielleicht ein anderes Grün oder mehr Rot etc. gemalt hätten.

Letztlich möchte ich mit den Bilder nicht Recht haben im Sinne von richtig und falsch. 

Das Ziel ist, dass sich die Menschen damit beschäftigen und selbst versuchen ihre eigene Sensorik in Farben und Formen zu übersetzten.

 

Wie kamen Sie auf die Idee bildhaft den Duft und Geschmack von Weinen aufzugreifen und dazu ein Buch zu verfassen?

Zuerst ging es mir um die Reproduktion von Wahrnehmungsbeschreibungen. Wie kann ich also einen Geschmack, ein Aroma oder eine Textur so treffend beschreiben, dass die Worte auch nachvollziehbar sind?

Tests ergaben immer wieder, dass Worte, wenn sie interpretativ verwendet werden, wenig reproduktiv sind. Damit ist gemeint, dass der Leser oder Hörer zu den Deskriptionen eine Vorstellung hat, die aber selten wirklich mit der beabsichtigenden Charakterisierung des Produktes übereinstimmt. Die Rate liegt hier bei unter 20 % der Wiedererkennung.

Eine andere Herangehensweise ist nun Farben zu nehmen und ihnen eindeutige Reize zuzuordnen, wie salzig oder süß. Anschließend werden diese in eine dynamische Struktur gebracht. Auf diese Weise erfahren die dokumentativen Bilder von primärsensorischen Wahrnehmungen oder besser Apperzeption (bewusste Wahrnehmung) Wiedererkennungsraten von bis zu 80 %.

Außerdem bin ich Synästhet und schmecke sowieso alles in Farben. Allerdings habe ich erst nach einiger Zeit bemerkt, dass meine Art des Farben-Schmeckens sehr kompatibel ist zu dem Empfinden anderer. Dementsprechend können die meisten Menschen mit den Farben besser Geschmäcker verbinden als mit Worten.

 

Woran ist, nach Ihrer Ansicht, ein guter Wein zu erkennen oder meinen Sie, dass das allgemein nicht bewertet werden kann?

Weinqualität ist nicht definiert. Niemand weiß genau wo guter Wein anfängt oder ab wann ein Wein schlecht ist. Es kann nicht um „gut“ und „schlecht“ gehen, sondern um den Unterschied.

Sowohl im Rahmen mancher internationaler, rein „qualitativer“ Punkteschemata als auch durch viele Fachleute, wird allzu gerne die jeweilige eigene Wahrnehmung als das Maß aller Dinge angesehen. Sie meinen diese sei objektiv und jeder müsse diese Meinungen teilen, verstehen und ebenso empfinden. Jeder kann seine eigene Meinung über die Güte eines Weines haben, dies hat aber nichts mit objektiven Erkenntnissen zur Qualitätsfrage zu tun. Qualität hängt immer von vielen Faktoren ab, die alle zusammenspielen und letztlich Stile und regionale Prägungen ausmachen. Für mich ist ein Wein gut, wenn er einen nachvollziehbaren Herkunftsbezug hat, und der Produzent in einen Werdeprozess eingebunden ist – also mehr begleitend als manipulativ aktiv ist. Der Wein muss nicht immer fruchtig und klar strukturiert sein. Ecken und Kanten sind auch in Ordnung, solange sie handwerklich gut gemacht sind.

 

Gibt es bestimmte Eigenschaften, die Sie als Grundvoraussetzungen für einen Qualitätswein bezeichnen würden?

Generell gilt, wenn ein Wein seinen Zweck erfüllt ist er gut. Sei es ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis, zur Sommerparty fruchtbetont oder Holzfass / Barriqueausbau…

Es gibt ja heute für jede erdenkliche Gelegenheit und Anforderungen Weine auf dem Markt.

Bei unseren internationalen Prämierungen stehen immer Herkunft und Machart als zu prüfende Kriterien im Vordergrund und nicht die Vorlieben der Prüfer. Aus diesen Ergebnissen lassen sich dann die Gelegenheiten weiter fokussieren zu denen die Weine am besten passen.

Für mich ist es wichtig, dass ökologische Grundprinzipien erfüllt werden. Aus überdüngten, faulen und unreifen Trauben lassen sich, meines Erachtens, sehr schwer und nur mit viel Chemie gut schmeckende Weine machen. Gute Weine werden daher im Weinberg gemacht, aus gesunden und reifen Trauben, nach ökologischen Prinzipien – egal woher aus der Welt.

 

Können Sie etwas zur aktuellen Lage auf dem internationalen Weinmarkt sagen? Gibt es bestimmte Länder, die sehr begehrt sind bei den Konsumenten und wie ist das Verhältnis zu den griechischen Weinen?

Einerseits werden die Märkte immer globaler, zum Beispiel mit dem Blick nach China, andererseits steht dem Massenprodukt, der immer mehr gleich schmeckenden Weine, die Individualität und Regionalität entgegen. Ein Produzent muss sich heute entscheiden welchen Markt er bedienen will und das, bevor er anfängt Wein zu produzieren. Große Mengen von Mainstreamweinen lassen sich logischerweise nur von großen Produzenten herstellen, die mit viel Technik und Prozessoptimierung regulativ in das Werden der Weine eingreifen. So lassen sich

fruchtige und saubere Weine herstellen, die aber austauschbar sind. Das ist nicht schlecht, sondern marktorientiert und durchaus erfolgreich. Unter Weinkultur verstehe ich aber etwas anderes. Besonders kleinere Weinanbaunationen haben die Chance extravagante Weine für einen kleineren Markt, oder besser gesagt für eine definierte Zielgruppe von Konsumenten herzustellen. Diese liegen in der Gunst der Konsumenten, die nicht nur billig und Mainstream erwarten. Die Erfahrung mit autochthonen Rebsorten umzugehen und verschiedene Stile des Ausbaus anzuwenden (sei es sehr minimalistisch oder mit Hightech) ist mit den immer höher werdenden Ansprüchen an das Handwerkeine große Chance für Griechenland. Diese muss aber benannt und erklärt werden. Transparenz ist gefragt.

Wichtig ist für Winzer und Kunde, dass sie sich immer wieder aufs Neue bewusst für eine Gangart entscheiden. Sie sollten dies aus eigener Neugierde oder anderen Motivationen heraus tun, und sich dabei weder von Lobbisten noch von dem Begriff des „Lecker Schmeckens“ gängeln lassen.

 

Was macht die griechischen Weine aus und welche zukünftigen Entwicklungen halten Sie für diese als erstrebenswert?

60-70 % aller griechischen Weine leben von ihrer Individualität. In der modernen Stilistik, der sich viele Winzer mittlerweile hingezogen fühlen, geht es um die Fruchtigkeit und Klarheit ihrer Weine und somit um eine internationale Vergleichbarkeit. Diese kann man sehr ambivalent diskutieren. Traditionsorientierte Betriebe produzieren Weine aus Erfahrung und Überzeugung mit technischem Minimalismus, die weltweit ihres Gleichen suchen. Darunter finden sich auf beiden Seiten auch handwerklich bedenkliche Weine, wobei Fehlerhaftigkeit sehr länderspezifisch gesehen werden muss. Was bei dem einen schon als Fehler gilt, ist bei einem anderen Land noch charaktervoll. Wer hier vorschnell beurteilt, liegt prinzipiell schon mal falsch. Damit stellt man sich selbst in den Mittelpunkt und achtet weder die beabsichtigte Stilistik noch Rebsorten und Herkunft.

Diese regionalen Individualitäten, gepaart mit der Sortenvielfalt halte ich für das größte griechische Potential. Um auf dem Weinmarkt Aufmerksamkeit zu erregen, braucht es eine gemeinsame Darstellung vieler unterschiedlicher griechischer Winzer, Austausch und Reflektion untereinander bei gleichzeitiger Individualität.

Verständliche Produktdifferenzierung ist eines der wichtigsten Ziele. Damit der Kunde weiß, worin sich die Weine, wie unterscheiden und er so besser auswählen kann.

 

Viele unserer Leser interessiert natürlich, was die konkreten Vor- bzw. Nachteile der griechischen Weinanbaugebiete sind. Können Sie dazu etwas sagen?

Griechenland hat viele unterschiedliche Klimazonen. Klima, mit den Einflussfaktoren Temperatur, Sonneneinstrahlung, Sonnenscheindauer sowie Wasserverfügbarkeit beeinflussen die Reife und somit die prägenden Faktoren der Trauben.

Von leichten, frischen und spritzigen Sommerweinen bis hin zu schweren Rotweinen ist alles ohne größere Anstrengungen machbar, also ein gesegnetes Land könnte man sagen. Je kühler das Klima mit Meereseinfluss, sowie im Norden oder in höher gelegenen Gebieten auch im Süden, desto frischer und mineralischer die Weine – Thrakien und Makedonien im Norden, Attika und höhere Gebiete auf dem Peleponnes im Süden. Bodenspezifische Mineralien und reife Säuren (aufgrund kühlerer Nächte und Ertragsreduzierung) gestalten diese erfrischenden Weine.

In Zentralgriechenland mit weniger Meereseinfluss, wie Lamia und Teilen Thessaliens, können Weine hergestellt werden, die schwer und eben typisch südländisch sind. Ebenso auf den Inseln wie Kreta und Rhodos, wo durchgängig hohe Sommertemperaturen die Traubenreife mehr beeinflussen als der Boden.

Sehr viel Sinn würde es machen Griechenland übergreifend, z. B. Regionalgebiete, Sorten und sensorisch signifikanten Charaktereigenschaften zuzuteilen, und in diesem Rahmen die Individualität wieder aufleben zu lassen.

Diese Unterschiede auf der Flasche mit Farben zu markieren, wie schwer oder leicht, fruchtig oder würzig, weich und zart, mineralisch klar sie sind, das wäre ein erster einfacher Schritt zur Orientierung.

Übrigens das PAR-System liefert noch mehr individuelle charakterliche Darstellungen von Weinen.

Weitere Informationen dazu:

http://www.griechischerweinpreis.de/weinpreis-2013/ergebnisse-2013.html 

Wenn Sie bei dem jeweiligen Wein auf den bunten PAR-Button klicken, dann sehen Sie die charakterliche Dokumentation des Weines auf der linken Seite und die Beurteilung dazu auf der rechten.

Weingeschmack mit Bildern erkennen:
Gefällt das Bild, schmeckt auch der Wein.
Einen Wein betrachten, riechen, schmecken und das Empfundene dann in Worte fassen: Das ist Alltag bei jeder Weinprobe. Aber was, wenn man nicht sagt, was einem da gerade den Gaumen kitzelt, sondern malt?

Wein, seine Aromen und sein Geschmack lassen sich nämlich über das Etikett hinaus überraschend treffend im Bild darstellen.
Wie die visuelle Geschmacksbeschreibung funktioniert, stellt der gelernte Winzer und Sensorik-Experte Martin Darting mit „Das sensorische Weinbild“ erstmals in Buchform vor.

Die von ihm entwickelte Methode erlaubt selbst bei sensorisch ungeschulten Weintrinkern eine Wiedererkennungsrate von gut 80 Prozent zwischen einem Wein und seiner bildlichen Darstellung, hat Darting festgestellt. So können selbst Weinnovizen mit der Methode ihre Vorliebe für einen Wein erkennen und gleichzeitig Art und Charakter eines Weines erfassen. Viele farbige Beispielbilder im Buch untermauern, wie anschaulich Geschmack sein kann und wie man ihn mit sensorischen
Bildern beschreiben und ergründen kann.

Sodass schlussendlich gilt: „Gefällt das Bild, schmeckt auch der Wein“.
Martin Darting, Wachenheim, ist gelernter Winzer und im Seminarund
Ausbildungsbereich für (Wein-)Sensorik tätig. Sein Arbeitsspektrum
reicht von der Sommelierausbildung (IHK) in Deutschland
und der Schweiz bis zu internationalen Schulungen. Im Verlag Eugen
Ulmer erschien von ihm bereits das Buch „Sensorik. Für Praktiker
und Genießer“.

Martin Darting:
Das sensorische Weinbild
Geschmack finden mit Bildern
80 S., 50 Farbfotos, 11 Zeichn., Softcover
Stuttgart: Verlag Eugen Ulmer, 2013
Preis: EUR 19,90, EUR (A) 20,50, CHF ca. 26,90
ISBN 3-8001-7865-0

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