„… der für uns und um unseres Heiles willen
von den Himmeln herabgestiegen ist
und Fleisch angenommen hat aus dem Heiligen Geist
und Maria, der Jungfrau, und Mensch geworden ist“
(Glaubensbekenntnis von Nikäa und Konstantinopel)

Liebe orthodoxe Christen in Deutschland!

Schon seit unseren Kindestagen, seitdem wir also allmählich anfangen, unsere Umwelt zu verstehen, spüren wir, dass der heutige Tag ein besonderer ist. Die Göttliche Liturgie von Weihnachten hat eine eigentümliche Schönheit, und deshalb nehmen wir alle an ihr teil. Das gilt nicht nur für diejenigen unter uns, die der Kirche nahe stehen, sondern sogar auch für diejenigen unter uns, deren Bezug zur Kirche eher formal ist, so dass sie sich damit begnügen, allenfalls zwei- oder dreimal im Jahr einem Gottesdienst beizuwohnen.

Ich wage es also zu sagen, dass wir alle zumindest ein Gespür für die Einzigartigkeit dieses Festes der Geburt Christi haben. Voller Ehrfurcht nahen wir uns dem Sohn Gottes, der zu unserer Erlösung aus den Himmeln herabsteigt, sich im Schoß der Allheiligen Fleisch und Gebein annimmt und Mensch wird. Uns erschüttert die Einzigartigkeit des göttlichen Handelns, das uns wahrhaft erlöst, weil es eine Tat der Liebe ist, die darauf abzielt, unsere Gemeinschaft mit dem Quell der Liebe, mit der Heiligen Dreiheit, wieder herzustellen.

Ehrfurcht, Staunen und Erschütterung sind Wörter, die unsere Haltung gegenüber dem unvergleichlichen Mysterium der Menschwerdung des Sohnes Gottes trefflich kennzeichnen, einem Mysterium, das der heilige Athanasius der Große etwa so beschreibt: Gott wird Mensch, um den gefallenen Menschen so zu erhöhen, damit er durch Gnade werde, was Gott von Natur ist. Und dennoch! Ich vermute, dass wir oft das Verlangen haben, dieses Mysterium mit den Mitteln unserer Logik zu „erklären“. Aber ist das auch nur denkbar? Und wenn ja, was würde uns das nützen?

In welches Schema könnte denn die Liebe passen? Welche Definition wäre nicht zugleich eine groteske Verzerrung ihres Wesens, wenn wir die Begrenztheit unseres vergänglichen Geistes berücksichtigen? Bedeutet nicht gerade dies die Schönheit der Liebe, dass sie, ohne die Logik aufzugeben, diese übersteigt und die Grenzen unserer Vergänglichkeit für die Unverfügbarkeit und die Unendlichkeit der Gegenwart Gottes sprengt?

Die Liebe ist zugleich erklärlich und unerklärlich. Das leuchtet uns ein, wenn wir das Bild eines jeden in der Umarmung mütterlicher Liebe geborgenen Kindes betrachten. Welche Kunst könnte diese Beziehung wechselseitiger Hingabe und Wonne angemessen zum Ausdruck bringen? Ähnlich verhält es sich mit der Realität der Gemeinschaft Gottes mit dem Menschen, die wir im Gottesdienst unserer Kirche erfahren. Denn der Glaube ist nichts anderes als Vertrauen und Gewissheit über das, was wir erhoffen, ohne es zu sehen. Glaube ist die Sehnsucht nach der väterlichen Umarmung Christi und das Vertrauen darauf, dass nur diese unserer Gegenwart Sinn und unserer Zukunft eine dynamische Perspektive gibt – jenseits von Versagen, Irrtum, Krankheit und sogar jenseits des Todes selbst.

In dieser bewegenden Stunde, in der Christus zu Bethlehem geboren wird, rufe ich uns dazu auf, unser Vertrauen auf Gottes Liebe beständig zu erneuern und freudigen Herzens die Gelegenheit zu ergreifen, uns an dieser Schönheit zu erbauen, der einzigen Form von Schönheit, die imstande ist, die Welt wahrhaft zu retten.

Bonn, Weihnachten 2010

In väterlicher Liebe

+ Metropolit Augoustinos von Deutschland

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