„Als sie den Stern sahen, wurden sie hoch erfreut“
(Mt 2, 10)

Liebe orthodoxe Christen in Deutschland!

Freude! Dies ist die Botschaft des heutigen Feiertages der Geburt Christi, Freude über die Anwesenheit des Lichtes, der Sonne der Gerechtigkeit, unter uns, Freude über das Geschenk der Wahrheit, über die frohe Botschaft unserer Erlösung inmitten der Menschheitsgeschichte, der Erlösung für immer, Freude über das Geschenk des Lebens, welches das Leben all derer, die Jesus mit Vertrauen begegnen, von der Furcht vor dem „Wandern in finsterer Schlucht des Todes“ befreit.

Christus ist bereit, der Mittelpunkt und der Sinn unserer Existenz zu werden. Er will mit uns eine Beziehung aufbauen, unser Freund und Bruder werden. Und diese Beziehung schafft er durch Seine Liebe auf dem Fundament der Freiheit. Ideen und Ideologien, Systeme und Gesetze werden außer Kraft gesetzt, denn wer Gott liebt, kann wirklich tun, was er will.

Je mehr wir mit Ihm verbunden werden, der uns zuerst geliebt hat, desto mehr erfahren wir, wie sehr er uns geliebt hat, indem er Mensch geworden ist wie einer von uns. In Seiner Nähe lernen wir die Kunst des Liebens, eine zugegebenermaßen schwierige Kunst, denn die Liebe ist ein dauerndes Sich-Aufopfern. Wir wissen ganz genau, dass man viel Kraft benötigt, um lieben zu können. In der Nähe Christi lernen wir auch, anderen zu vergeben, sogar unseren Feinden, und so können wir nichts mehr hassen. Wir lernen es, nicht zu verzweifeln, sondern die Hindernisse unseres Alltags durch Hoffnung zu überwinden. Wir lernen es, uns nicht zu fürchten, sondern zu erwarten, dass alles Böse, sogar der Tod selbst, überwunden werden kann. Dafür haben wir den Beweis, den uns jene gesegneten Menschen geben, die Ihm begegnet sind. Sie spiegeln Seine Gnade wieder und erinnern uns ohne viele Worte daran, wo auch wir hingehören!

Zu diesen Menschen zählen auch die Weisen aus dem Morgenland, die den Stern Christi aufgehen sahen und aufgebrochen sind, Ihm zu huldigen. Ihre Reise war nicht einfach, erfahren wir aus der Heiligen Schrift, obwohl sie vom Stern geführt wurden. Zwar hatten sie den Stern kurz verloren, ihn dann aber wiedergefunden, bis er stehen blieb, wo das Kind war. Dort wurden sie von großer Freude erfüllt, da sie ihr Ziel erreicht hatten. Sie fielen nieder und huldigten der Mensch gewordenen Liebe, die kurz zuvor geboren worden war, und brachten Ihr ihre Gaben: Gold, Weihrauch und Myrrhe.

Ich habe den Eindruck, dass wir, die Christen in aller Welt, den Weisen des Morgenlandes ähneln. Obwohl wir uns oft als weniger weise erweisen als sie, sind auch wir auf der selben Reise mit dem selben Ziel: Wir wollen dem sanften „Friedensfürst“ begegnen. Sicher ist auch unsere Reise mühsam, manchmal sogar gefährlich. Nicht selten erdrücken uns verschiedene Dinge und wir verlieren die Orientierung, besonders in Zeiten der Unruhe und der Verwirrung, für die wir selbst einzeln und gemeinschaftlich durch unser bewusstes oder unbewusstes Handeln verantwortlich sind. Genau dann spüren wir, wie wichtig es für uns ist, einen Bezugspunkt zu haben, einen Stern, der uns mit Sicherheit zu unserem persönlichen Bethlehem führen wird, also zur Krippe unseres Herzens, wo jede wirkliche Begegnung stattfindet, sogar jene mit Christus, der heute geboren wurde. Jede Kirche, in der immer ein Licht brennt, jede kirchliche Zusammenkunft im Namen Christi, ist der Stern, der uns leuchtet, ermutigt und hilft, den Weg immer wieder zu finden. Was ist da sonst noch? Die Geschenke. Christus selbst hat uns gesagt, dass er von uns keine Opfer, sondern Barmherzigkeit will. Das heisst, ein Herz voller Liebe, die wir Ihm und wirklich allen um uns herum schenken sollen.

Das ist also die Chance, die uns das Weihnachtsfest schenkt: Unseren Glauben an die menschgewordene Liebe zu erneuern, damit wir mit Ihrer Kraft, die unaufhörlich von Christus ausgeht, unsere Herzen mit Liebe füllen, damit wir zu Lichtträgern werden, die immer mehr Licht in die Dunkelheit der Welt bringen, das Licht Christi nämlich, der geboren wurde, um immer bei uns zu sein, damit unsere Freude vollkommen sei.

Fröhliche, gesegnete Weihnachten!

Bonn, Weihnachten 2011

In väterlicher Liebe

+ Metropolit Augoustinos von Deutschland

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