Odysseas Athanasiadis*.

Odysseus auf dem Meer, Ikarus in der Luft, Alexander der Große, Herodot und die Millionen von Griechen in allen Teilen der Welt, in denen sie leben und arbeiten.

Und jetzt wieder: Die jungen Griechen reisen wieder aus. Müssen sie. Die Arbeitslosigkeit der Jugend und der jungen Erwachsenen in Griechenland übersteigt die 50%-Marke. Und viele von denen, die doch noch eine Arbeit in Griechenland haben, können sich damit weder selbst unterhalten noch eine Familie ernähren.tetarti

Diese Griechen sind in der Mehrzahl gut ausgebildet – zum Teil mit Studien im Ausland – sie sprechen mehrere Fremdsprachen und wandern aus, um im Ausland eine Arbeit zu finden. Mit gemischten Gefühlen. Und mit Wut und Trauer. Mehrere Organisationen und Vermittlungsbüros bemühen sich vor Ort, also hier in Griechenland, oder vom Ausland aus, diesen jungen Menschen zu helfen – oder aus der Situation eigenen Nutzen zu ziehen.

Auch unterschiedliche Betrachtungen, Bewertungen, Einschätzungen dieser aktuellen Auswanderungswelle sind zu hören und zu lesen. Vom Verlust von gut ausgebildetem Humankapital ist die Rede, von Humankapital, das für den Wiederaufbau des Landes fehlen wird, wenn die Zeit kommt.

Sicher ist, die jungen Menschen brauchen Arbeit und sie brauchen Raum, um ihre Fähigkeiten zu entfalten und ihre Pläne zu verwirklichen und das finden sie heute in ihre Heimat nicht. Die ökonomischen und gesellschaftlichen Auswirkungen dieser neuen Migrationswelle werden wir erst am Ende dieser Periode bewerten können.

Aber obwohl es sehr große und fundamentale Unterschiede zwischen der letzten und der aktuellen Auswanderungswelle gibt, finden wir es nützlich, die Auswirkungen auf die Betroffenen selbst und auf das Entsenderland aufzuzeigen.

Vielleicht tragen diese Gedanken dazu bei, die öffentliche Diskussion sachlicher zu führen.

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Die griechische Auswanderung nach 1960 und ihre Auswirkung auf das Entsenderland.

Die meisten Arbeiten über die griechische Emigration und ihre Bedeutung für Griechenland befassen sich mit Zahlen, Prozenten und Statistiken. Ich habe wenige Untersuchungen über die Entwurzelung, den Schmerz und die Gefühle dieser Menschen gefunden. Diese Menschen, die – wie sie selbst schreiben, nicht nur von ihren Wurzeln, sondern auch von ihren Ästen abgeschnitten wurden. Sehr viele von ihnen hatten jahrelang nur für vier Wochen pro Jahr Kontakt mit ihren Kindern. Die Kinder lebten getrennt von ihren Eltern bei den Großeltern in Griechenland. Wir dürfen nicht vergessen, dass in den sechziger und siebziger Jahren sehr wenige Haushalte in der griechischen Heimat einen Telefonanschluss besaßen.

Diese Heimat, die die Arbeitsmigranten ohne Sprachkenntnisse und unvorbereitet in die Fremde schickte, damit der Arbeitsmarkt in Griechenland entlastet wurde und die sehr erwünschten Devisen ins Land kamen. Trotzdem blieb die Heimat der Wunschtraum und das feste Ziel der meisten der Migranten.

Einer der Emigranten schrieb.

«… wenn der Notias, der Südwind, wehte, öffneten wir die Fenster und ließen uns von ihm die Gesichter streicheln. Es war der Wind, der aus der Heimat kam. Mit seinem Murmeln brachte er uns Grüße von unserer Liebe, die Sehnsucht der Eltern und das Lied der Schwester. Es war der Wind, der uns den ersten Lebenshauch schenkte und das letzte Stöhnen geliebter Personen mit sich nahm…»

Aber die Gefühle und das Empfinden dieser Menschen gehören nicht zu den üblichen Untersuchungen – auch nicht zu diesen Ausführungen… Es wäre wünschenswert, wenn es auch Untersuchungen in dieser Richtung gäbe, um ein vollständiges Bild über die Emigration zu zeichnen. Für Griechenland ist die Auswanderung eine alte Geschichte. Angefangen von der Antike bis heute verließen einzelne Menschen oder ganze Menschengruppen freiwillig oder gezwungenermaßen das Land und suchten für kürzere oder längere Zeit ihr Glück im Ausland.

Man unterscheidet dabei drei verschiedene Arten der Auswanderung.

 

  1. Die ‘landwirtschaftliche’ Auswanderung in der Antike. Hier waren die Ursachen demografischer Natur und das Ziel war, neue Gebiete zu erobern.

( Kleinasien, Nordafrika, Sizilien)

 

  1. Die ‘handelsmäßίge’ Auswanderung dauerte vom Mittelalter bis zum Ende des 19. Jahrhunderts. Hier war der Handel mit Zentraleuropa, den Balkanländern und dem Nahen Osten der Mittelpunkt.

 

  1. Die sogenannte ‘industrielle’ Auswanderung fing in den letzten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts an und dauerte praktisch bis in die neunziger Jahre des letzten Jahrhunderts. Hier wanderten Arbeitskräfte aus Griechenland in die industriell entwickelten Länder des Westens.

 

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Diese Periode und speziell der letzte Teil ab 1960 werden hier untersucht. Die Ursachen der Auswanderung waren unterschiedlich. Ein großer Teil der Bevölkerung waren Flüchtlinge oder Flüchtlingskinder, die 1922 aus Kleinasien kamen. Auch heute ist eine der Hauptursachen und ein wesentlicher Bestandteil der Emigration das Flüchtlingsdasein.

Die finanzielle Lage der Flüchtlinge war sehr schwierig. Aus der ehemaligen Sowjetunion kamen kurz vor dem Zweiten Weltkrieg Griechen, die – auch wegen des Krieges – die ersten Jahre in Griechenland unter elenden Zuständen verbrachten. Sie wurden meist diskriminiert, da sie als politisch infiziert vom sowjetischen System galten.

Der Bürgerkrieg verschob den wirtschaftlichen Wiederaufbau des Landes. Die Verlierer des Bürgerkrieges wurden über mehrere Jahre hinweg verfolgt und hatten praktisch keine Aussichten auf eine Anstellung beim Staat. Die Diktatur setzte diese Diskriminierung fort und trug dadurch auch zur Emigration bei.

Aus den oben erwähnten Gründen fühlten sich viele wohler und sicherer in den Ballungszentren und wanderten dorthin. Dadurch erhofften sie auch, eine Beschäftigung zu finden. So versammelten sich im Athener Raum sehr viele Menschen ohne Aussicht auf eine Beschäftigungsmöglichkeit. Aufgrund dieser Entwicklung wurden die ländlichen Gegenden verlassen. Die Wirtschaft auf dem Lande stagnierte. Das vorhandene Arbeitspotential konnte ohnehin nicht von der Landwirtschaft aufgenommen werden.

Die Größe der landwirtschaftlichen Betriebe erlaubte keine arbeitsschaffenden Investitionen. Außerdem ließen die niedrigen Preise für landwirtschaftliche Produkte keine Kapitalakkumulation zu. Diese Perspektivlosigkeit trug wesentlich zur Auswanderung in den siebziger Jahren bei.

Es fehlte in Griechenland eine Politik, die eine landwirtschaftliche und industrielle Entwicklung herbeiführen konnte, damit das vorhandene Arbeitspotential beschäftigt werden konnte.

Und die Anziehungskraft der ersten Auswanderer auf die, die in der Heimat geblieben waren, darf nicht vergessen werden. Um Erfolg vorzutäuschen, stellten die ersten Auswanderer ihre Situation als äußerst rosig dar und bewegten dadurch auch weitere Landsleute zur Auswanderung. Es ist kein Zufall, dass Menschen aus der gleichen Gegend auch im Ausland sehr nah beieinander arbeiteten und wohnten.

Die relative wirtschaftliche Schwäche Griechenlands in dieser Zeit ist eindeutig auch an den volkswirtschaftlichen Zahlen abzulesen: Das BSP pro Kopf der Bevölkerung Griechenlands betrug im Jahr 1960 430 US-$ und entsprach nur 36% des Durchschnitts des BSP der damals neun Mitglieder der Europäischen Gemeinschaft. Im Jahr 1975 ist das BSP pro Kopf der Bevölkerung auf 2.150 US-$ gestiegen und macht schon 50% des entsprechenden Durchschnitts der Europäischen Union aus.

Aber alle diese Gründe konnten die Massenbewegung allein nicht auslösen. Die wirtschaftliche Expansion und die Nachfrage nach Arbeitskräften in den westeuropäischen Ländern waren der nötige Gegenpool zur Emigrationsbewegung.

Die Zahl der ausgewanderten Griechen ist im Vergleich zur Gesamtbevölkerung sehr groß. Nur nach Deutschland sind nach dem Zweiten Weltkrieg über eine Million Griechen ausgewandert – über 650.000 sind im gleichen Zeitraum in die USA, nach Kanada und nach Australien ausgewandert.

Die meisten von diesen Menschen kamen aus Nord-Griechenland und aus dem Athener Raum. Die aus Athen Ausgewanderten sind aber zum größten Teil vorher aus der Provinz nach Athen gezogen, da sie dort bessere Lebensbedingungen erwarteten.

Die demographischen Folgen waren für manche Gegenden enorm. In mehreren nordgriechischen Präfekturen ist die Bevölkerungszahl um 25% gesunken. Die Folgen davon auf die Wirtschaft, auf das Ausbildungssystem und im Bereich der öffentlichen Investitionen kann man sich leicht ausdenken. Das Bildungsniveau der Emigranten war ziemlich niedrig. Nach Angaben über die Zeit von 1963 bis 1965 besuchten 90% von ihnen die Grundschule. Es wird aber nicht spezifiziert, wie viele von ihnen die Schule auch abgeschlossen haben.

Die Qualifikationsstruktur der griechischen Arbeitsemigranten war unterschiedlich. Die Arbeitskräfte, die zwischen 1961 und 1965 nach Deutschland auswanderten, kamen aus dem industriellen Bereich und galten als höher qualifiziert. In der Zeit zwischen 1966 und 1975 kamen eher Arbeitskräfte aus dem landwirtschaftlichen Bereich, die als nichtqualifiziert betrachtet werden können.

Sie alle waren in relativ gutem gesundheitlichem Zustand. Erstes, weil kranke Menschen weniger bereit sind, ihre Lebensverhältnisse radikal zu ändern sind und zweitens, weil die Auswahlkriterien des deutschen Komitees in Zusammenarbeit mit den griechischen Behörden streng waren. Welche war nun die Haltung der Regierungen – von Politik kann man meiner Meinung nach in diesem Fall nicht sprechen…

Für die griechischen Regierungen der Nachkriegszeit war die Emigration ein willkommenes Ventil für den Arbeitsmarkt. Das brachliegende Arbeitspotential war außerdem ein potentieller Faktor für unangenehme soziale und politische Bewegungen. Die Devisen der Auswanderer trugen ebenfalls zu Verbesserung der defizitären griechischen Zahlungsbilanz bei. Bei Beginn der Auswanderung nach Westeuropa wurden zwei wichtige Annahmen getroffen, die sich jedoch als falsch erwiesen.

Nach der ersten Annahme wurde erwartet, dass die Auswanderung einen vorläufigen Charakter haben würde. So schienen staatliche Eingriffe nur zur Erleichterung der Wanderung und bei der Arbeitsbeschaffung notwendig. Ebenfalls müsste die Sicherung der Entlohnung, der Versicherung und der Arbeitsbedingungen nach den geltenden gesetzlichen Regelungen reguliert werden.

Ein großer Teil der griechischen Bevölkerung hielt sich für lange Zeit in Deutschland auf und holte entweder seine Familie nach oder gründete hier eine Familie. Die durchschnittliche Aufenthaltsdauer der Griechen betrug 1991 19,6 Jahre. Die erste Annahme ließ demgemäß Maßnahmen zur sprachlichen und beruflichen Förderung als nicht notwendig erscheinen. So waren die Auswanderer stets das schwächere Glied im wirtschaftlichen und sozialen Leben und deswegen waren sie zuerst von negativen Entwicklungen (Arbeitslosigkeit) betroffen.

Nach der zweiten Annahme würden die von den griechischen Arbeitnehmern im Ausland erworbenen Qualifikationen nach ihrer Rückkehr der griechischen Wirtschaft zugutekommen.

 

  • Erstens wurden von der überwiegenden Mehrheit keine besonderen Qualifikationen erworben und
  • zweitens konnten sie da, wo sie doch vorhanden waren, aus verschiedenen Gründen nicht in der Heimat eingesetzt werden.

Im Gegenteil, die Mehrheit der jungen Griechen erfuhr im Ausland im Vergleich zu den Jugendlichen in Griechenland eine weniger qualifizierte Ausbildung.

 

Theoretisch hätten die griechischen Arbeitnehmer im Ausland Griechenland wie folgt beeinflussen können:

 

  • durch ihre Ausreise,
  • durch ihre Geldüberweisungen,
  • durch die erworbenen Kenntnissen und Qualifikationen,
  • durch ihre wirtschaftlichen und sozialen Aktivitäten nach ihrer Rückkehr und eventuell
  • durch ihre Botschafterfunktion.

 

Die demographischen Auswirkungen der Auswanderung und die Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt wurden schon erwähnt.

Die Auswirkungen auf die Landwirtschaft werden im Folgenden zusammengefasst:

Wegen des durch die Auswanderung entstandenen Arbeitskräftemangels wurden die arbeitsintensiven Kulturen wie Tabak durch arbeitsextensive Kulturen wie Getreide ersetzt. In einer späteren Phase wurden u.a. Olivenbäume und Kiwipflanzen eingesetzt. Gleichzeitig wurde die Mechanisierung der Landwirtschaft vorangetrieben. Ein optimaler Kapitaleinsatz war aber in der Landwirtschaft nicht möglich, da die Betriebe sehr klein und Anbauflächen zersplittert waren.

Nach ihrer Rückkehr brachten die in der Landwirtschaft beschäftigten Remigranten keine Neuerungen und Verfahren mit, die zu einer Modernisierung der Landwirtschaft hätten beitragen können.

Sowohl die Fähigkeit, den Markt richtig einzuschätzen, als auch die Voraussetzungen, Investitionen durchzuführen, fehlten den meisten der griechischen Auswanderer.

In der Industrie verursachte die Emigration kapitalintensive Investitionen. Diese Investitionen wurden von einer dünnen Schicht von Experten getragen. Die Folge war, dass sie in einem vollkommen offenen Markt, wie das in der Europäischen Union der Fall war, nicht mehr konkurrenzfähig waren. Viele von diesen Unternehmen gaben auf und machten zu oder verlagerten ihre Aktivitäten in den Bereich des Handels. Die ungünstige Entwicklung der Wirtschaftstruktur ist die Folge davon.

Alternativ dazu hätten arbeitsintensivere Investitionen getätigt werden können. Man hätte dabei das vorhandene Arbeitspotential mit den relativ niedrigen Löhnen einsetzen können. Wenn dadurch Kapital akkumuliert worden wäre und das Ausbildungssystem die benötigten Fachkräfte zur Verfügung gestellt hätte, wären die Bedingungen für eine industrielle Entwicklung auf einer höheren Ebene erfüllt gewesen.

Die Auswirkungen der Geldüberweisungen beschränkten sich nicht nur auf die Verbesserung der Zahlungsbilanz Griechenlands. Diese Gelder kamen zum Teil wirtschaftlich schwächeren Bevölkerungsteilen und wirtschaftlich schwächeren Gegenden zugute. Das durch die Emigranten beeinflusste Konsumverhalten verursachte aber auch neue Einfuhren und somit Devisenausfuhren. Die nicht produktiv eingesetzten Gelder verursachten ebenfalls unerwünschte inflationäre Tendenzen.

Nach Untersuchungen war der Bausektor der Hauptgewinner beim Einsatz der Gelder der griechischen Auswanderer. Dabei wurden Wohnungen und Hauser ohne Rücksicht auf ihre Qualität finanziert.

Die Dörfer bekamen ein neues Bild. Viele neue Hauser verschluckten einen Großteil der Ersparnisse der Auslandsgriechen. Sie dienten nicht immer den tatsächlichen Bedürfnissen. Oft übernahmen sie Prestigeaufgaben. Viele von den Häusern standen lange Zeit leer und mussten nach der Rückkehr der Besitzer renoviert werden. Durch die Bautätigkeit bekamen mehrere Branchen für lange Zeit Arbeit. Sobald aber diese Bauaktivitäten zum Stillstand gekommen waren, bekamen diese Branchen Schwierigkeiten und drückten auch auf den Arbeitsmarkt.

Ein anderer Teil der Gelder der griechischen Emigranten lag auf den Banken. Damit aber mit diesen Geldern durch das Bankensystem ein Beitrag zur Industrialisierung geleistet werden konnte, musste die Politik den Rahmen setzen. Leider fehlte diese Politik und die Folge war die Entstehung einer ganzen Reihe von sogenannten ‘problematischen Unternehmen’, deren Defizite aus sozialen Gründen immer noch von der öffentlichen Hand finanziert wurden.

Die erworbenen Kenntnisse und Qualifikationen der Emigranten waren mehr ein Wunsch als eine handfeste Wirklichkeit. Die Anwerbung von Arbeitskräften war kein Akt der Entwicklungshilfe, sondern diente der Überwindung der Engpässe des Arbeitsmarktes in Westeuropa.

Deutschland ist nach 30 Jahren Einwanderung immer noch kein Einwanderungsland. Die Bedeutung der Programme zur beruflichen Weiterbildung war nicht groß, da laut Anwerbevertrag diese Menschen von Griechenland zurückgenommen werden mussten, wenn Sie nicht mehr gebraucht wurden. Aber auch die angebotenen Kurse zur Weiterqualifizierung wurden von den griechischen Arbeitnehmern nicht ausreichend besucht.

Mangelnde Sprachkenntnisse, das Vorziehen von besser bezahlten Arbeiten mit geringeren beruflichen Aufstiegschancen, die zweite Arbeit und die Überstunden bewirkten, dass nur 10% der Erwachsenen Rückwanderer eine Arbeitsspezialisierung erworben hatten.

Dazu kehrten fast 20% der emigrierten sehr früh nach Griechenland zurück, so dass Ihre Arbeitserfahrungen sehr gering waren. Ein anderer Teil der Emigranten nahm nach seiner Rückkehr nicht mehr am Arbeitsleben teil.

Die mangelnde berufliche Qualifikation der jüngeren Emigrantengeneration wird sie daran hindern, am modernen Arbeitsprozess teilzunehmen, wenn die Schwierigkeiten auf dem Arbeitsmarkt zunehmen.

Was erwarteten die Remigranten in der Heimat und welche Arbeiten übten Sie aus?

Man erhoffte, dass durch die Gelder der Auslandsgriechen produktive Investitionen mit Entwicklungsimpulsen für die Wirtschaft vorgenommen werden. Das war sicherlich nicht so. Auch die Meinung, dass sich die Remigranten nach ihrer Rückkehr selbstständig machen möchten, ist nur zum Teil richtig. Der eigene Job ist oft die letzte Möglichkeit, eine Arbeit zu haben.

Die Mehrheit der erwerbstätigen Männer ging nach ihrer Rücker wieder in die Landwirtschaft. Nur wenige beschäftigen sich mit dem verarbeitenden Gewerbe. Bedeutende Verschiebungen gab es zwischen dem primären Sektor und dem Dienstleistungsbereich. Waren vor der Auswanderung nur 3% der Männer im Dienstleistungsbereich tätig, so waren es nach der Rückkehr fast 25%.

Die Bewirtschaftung eines Kaffeehauses, eines Restaurants, eines kleinen Geschäftes oder eines Taxis sind bevorzugte Tätigkeiten in diesem Bereich. Das hängt auch damit zusammen, dass die Beschäftigungsmöglichkeiten in der Industrie gering sind und die landwirtschaftlichen Arbeiten ein niedriges soziales Prestige besitzen.

In den Dörfern der Küstenregion wurde im Hotelbereich Geld investiert. Diese Investitionen sind als sinnvoll für die Remigranten anzusehen, da sie in den meisten Fällen ein sicheres Jahreseinkommen einbrachten. Den Einfluss auf die Umwelt in diesen Regionen untersuchen wir hier nicht.

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Die gesellschaftliche Rolle der Remigranten ist eher zweitrangig. Vieles läuft in Griechenland informell. Die begehrten Arbeitsplätze im öffentlichen Sektor waren für lange Zeit praktisch unerreichbar für Remigranten. Durch ihre Abwesenheit fehlten ihnen die Beziehungen, um einen Zugang zu diesem Beschäftigungsbereich zu haben. Parteifunkionen übernahmen meistens Nichtemigranten, da sie die Spielregeln besser kannten und die neue Parteienlandschaft besser und richtiger einschätzen konnten.

Die Emigranten konnten objektiv gesehen keine Botschafterrolle übernehmen. Sie waren einfache Leute, die hart arbeiten mussten, um die Ziele zu erreichen, die sie in die Emigration gesetzt hatten. Ihre Aktivitäten waren hauptsächlich darauf gerichtet, ihre Probleme im Ausland zu lösen und ihre Identität zu bewahren. Trotz des langen Aufenthaltes im Ausland war es ihr Ziel, nach Griechenland zurückzukehren. Aber um als Botschafter fungieren zu können, braucht man Unterstützung. Und die hatten sie nicht, weder von Griechenland direkt, noch von den diplomatischen oder von anderen Vertretungen. Speziell die diplomatischen Vertretungen hatten für lange Zeit eine Bespitzelungsfunktion.

Die griechische Wirtschaft zeigte sich ebenfalls nicht in der Lage, durch die Auslandsgriechen Marktanteile zu gewinnen.

Der kulturelle Austausch der ersten Emigrantengeneration war nicht sehr groß. Die zweite Generation pflegte einen intensiveren kulturellen Austausch mit der deutschen Bevölkerung und den anderen Nationalitäten in Deutschland. Binationale Familien sind entstanden. Dabei wurden politische, kulturelle und religiöse Grenzen und

Klassengrenzen überschritten. Die Kinder dieser Familien bekommen Identitätsmerkmale aus verschiedenen Kulturen. Es ist zu hoffen, dass auch dadurch Begriffe wie griechisch, deutsch, Moslem, katholisch, evangelisch als neutral aufgefasst werden und immer weniger Vorurteile erhalten bleiben.

Zusammengefasst können wir festhalten:

Die Emigration führte zu einer bedeutenden Minderung der griechischen Bevölkerung.

Der Anteil der älteren Bevölkerung ist gewachsen während der Anteil der wirtschaftlich aktiven Bevölkerung gesunken ist.

Der Arbeitsmarkt wurde entlastet.

Die eingeführten Devisen trugen zur Entlastung der Zahlungsbilanz bei und belebten für lange Zeit die Baubranche. Einen wesentlichen Beitrag zur wirtschaftlichen Entwicklung konnten sie aber nicht leisten.

Eine bedeutende berufliche Qualifizierung der Emigranten fand nicht statt. Es zeichnete sich eher ein Qualifizierungsproblem der jüngeren Emigrantengeneration ab, das zur Reproduktion von unqualifizierten Arbeitskräften führt. Hier muss man sagen, dass die Politik der griechischen Regierungen hierfür hauptverantwortlich ist.

Die Emigranten selbst zogen in ökonomischer Hinsicht Nutzen aus ihrer Emigration. Der Preis dafür war hoch. Die Wohn- und Arbeitsverhältnisse waren oft nicht günstig. Die Trennung von ihren Familien und ihrer gewohnten Umgebung verursachte psychosomatische Probleme, die sich auch nach ihrer Rückkehr fortsetzten. 25% der Rückkehrer leiden an solchen Störungen.

Ich frage mich ob meine Landsleute bei ihrer modernen griechischen Odyssee ihre Ziele erreicht haben, in Ithaka angekommen sind und ihre Angst vor Poseidon verloren haben. Die Antwort kann wahrscheinlich jeder für sich geben. Und das gleiche wird auch geschehen mit den tausenden gut ausgebildeten jungen Griechen, die jetzt ¨unterwegs¨ sind.

*Odysseas Athanasiadis studierte Volkswirtschaft in Heidelberg und vertritt die Zeitung „Elliniki Gnomi „ in Nord-Griechenland.

Fotos: Odysseas Athanasiadis

 

 

 

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