„Going South-East“

 

von Dr. Maria Sofianopoulou-Ruck

Infokasten

(Dr. Maria Sofianopoulou-Ruckist ist Regionalpräsidentin Mitte der Deutsch-Hellenischen Wirtschaftsvereinigung (Hessen, Rheinland-Pfalz, Saarland). Vertrat offiziell die DHW auf dem 2. Frankfurter Gas Forum)

Am 11. und 12. Dezember fand in Frankfurt das 2nd Gas Forum (FGF) statt. Dank der Organisatoren  Dr. Antony Livanios (CEO) und Demetra Egan (Executive Director) vom Unternehmen ENERGY STREAM CMG GmbH hat auch diese zweite Konferenz ihre Relevanz und Schlüsselfunktion bei der Umsetzung der EU-Energiepolitik bestätigt.

Das Frankfurt Gas Forum wurde als unabhängige Diskussionsplattform für  kritische Fragen des Gasmarktes gegründet. 2012 hat der Energiekommissar Günther Oettinger das erste Forum eingeleitet.

Die Veränderungen im Bild der EU- Energielandschaft, welche die Strukturen des Gasmarktes tiefgreifend beeinflussen und damit einhergehend die politischen Beziehungen zu den EU-Nachbarn neu gestalten, waren Gegenstand der Gesprächsrunden in diesem 2. Frankfurter Gas Forum. Eine besondere Bedeutung nahmen dabei die Diskussionen über die aktuellen Entwicklungen und deren geopolitische Implikationen sowie Anregungen über die Wege bei der Schaffung von politischen Allianzen als Folge von kommerziellen Partnerschaften ein.

Die Schaffung eines stabilen und flexiblen Gasmarktes in der EU mit Diversifizierung der Versorgungswege und der Ressourcen und Versorgungssicherheit bilden die Eckpfeiler der EU-Energiepolitik. Die europäische Energieversorgungssicherheit stand im Fokus der Konferenz und konzentrierte sich auf das östliche Mittelmeer. In dieser Perspektive wurden Entwicklungen bei den Infrastrukturprojekten des “Southern Gas Corridor“ beleuchtet:  die Pipelines TANAP-TAP-TAG von Kaukasus bis Zentraleuropa, die South Caucasus Pipeline(SCP) sowie Projekte und Projektvorhaben in dem Südöstlichen Mittelmeer (Griechenland, Zypern, Israel). Auch Kostengrößen, Kostenvergleiche und technische Aspekte der Umsetzbarkeit waren  Thema der Gespräche.

Die TANAP-Pipeline beginnt in Azerbaijan und die Übergabestelle der TAP liegt an der türkisch-griechischen Grenze. Via TAG wird anschließend Österreich erreicht. Die TANAP-Pipelines wurden im Jahre 2011 auf Initiative von Azerbaijan geplant. Die Gasvorkommen im kaspischen Meer haben das Land inzwischen zu einem wichtigen Player im Gasmarkt gemacht. Für Januar 2019 sind die ersten Gaslieferungen in die EU über die Fortsetzung der TANAP, der TAP, eingeplant. Die Einhaltung der Diversifizierung auch bei der Einspeisung ist eine EU-Forderung. Demnach müssen nämlich  die künftigen Gas-Pipelines nicht allein aus dem Azerbaijan eingespeist werden können, sondern auch aus anderen Ländern und der Fluss des Gases müsste auch rückwärts geführt werden können. Diese Bedingungen der EU bedürfen allerdings noch des Konsenses der beteiligten Länder.

Bei einer Diversifizierung der Energiequellen gewinnen die Gasvorkommen im östlichen Mittelmeer(Israel, Zypern, Griechenland) und die Versorgungswege, die das Gas in die EU führen, eine neue Dimension. Das gleiche gilt für die Rolle der Türkei und die Beziehungen zu Israel im östlichen Mittelmeer. Israel hat beschlossen 40 % seiner Gasproduktion zu exportieren. Das Land kann jedoch aus Sicherheitsgründen keine Onshore-Gasspeicher einrichten und  muss deshalb entweder den Weg über Pipelines (Zypern, Türkei) oder über eine LNG-Lösung offshore nutzen. Die Rolle Russlands und eine strategische Allianz zwischen Israel und Zypern bzw. Israel-Zypern-Griechenland erhalten in diesem Zusammenhang neben der kommerziellen  auch  eine neue politische und historische Tragweite.

Es ist  kein Zufall, dass die Projekte TANAP-TAP-TAG sowie die Zusammenarbeit Zyperns mit Israel und Griechenland im östlichen Mittelmeer zu den Prioritäten der EU-Energiepolitik zählen, so dass die EU alles tun will, um die beteiligten Länder bei der Bewältigung von etwaigen Hindernissen durch andere Länder zu unterstützen.

Auf diese neue Orientierung der EU-Politik ist die Präsenz von verhältnismäßig vielen griechischen und zyprischen Referenten sowie Experten in Führungspositionen international am Gasmarkt agierender Konzerne zurückzuführen. Diese berichten über technische Entwicklungen, generell aber auch über Hindernisse, über Entwicklungen in dem steuerrechtlichen Regelwerk  auf dem Energiesektor und über den Stand der Infrastrukturprojekte.

An den Gesprächen bei dem FGF nahmen nationale Vertreter aus EU, USA und Asien sowie Entscheidungsträger von Stiftungen, Unternehmen und Banken, die im Gasgeschäft agieren (unter anderem SAP, Deutsche Bank, Macquarie Bank, Allianz, BP, Shell, Noble Energy, Energean,  INDAGRO, PWC-Zypern) teil. Die Themen im Zusammenhang mit den neuen Gasquellen wurden auf der Basis von politischen, technischen und marktstrategischen Szenarios diskutiert.

Das Gas bringe sowohl Chancen als auch Risiken, so der zyprische Minister für Umwelt Kouyialis, der für eine nachhaltige, umweltschonende Ausnutzung der Ressourcen plädierte und auf die geopolitische Lage Zyperns am Kreuzpunkt von drei Kontinenten und als Outpost der EU in ihrer Relevanz für den EU-Gasmarkt einging. Der Minister betonte seine Entschlossenheit, den zyprischen Energiemarkt durch gezielte Strukturreformen zu entwickeln. Zypern, von der Finanzkrise stark betroffen, benötigt mehr als je zuvor strukturelle Reformen,  die den Energiemarkt im Sinne der EU-Politik flexibilisieren. Taliotis (PWC-Partner) berichtete über zyprische Infrastrukturprojekte sowie über Vorhaben und deren Bedeutung für die Wirtschaft Zyperns, wie die Einrichtung von Ölspeicher in Limassol, einen LNG-Speicher bei Vassilikos oder einer Unterseestromversorgung Israel-Zypern-Griechenland. Von Raptopoulos (SAP South Europe) erfuhr man, dass das gesamte Datenvolumen aller Branchen im Energiesektor über SAP läuft. Zudem referierte er über die enorme Geschwindigkeit in der Leistung des neuen SAP-HANA Datenauswertungssystems, das die seismologischen Daten in einem Bruchteil der bisher möglichen Zeit auswertet. Lagakos (SHELL) sprach über die Handelsaktivitäten von Shell, über die Relevanz der Flexibilität  und einer geregelten Liberalisierung bei der Schaffung eines effizienten Gasmarktes im südöstlichen Mittelmeer. Charles Ellinas (CNHC Cyprus) bezog sich auf die Dringlichkeit  der Ausarbeitung eines Besteuerungsregelwerks für den Energiesektor in Zypern. Panos Benos (Energean) informierte über ein wichtiges Projektvorhaben eines unterirdischen Gasspeichers bei Kavala, das bereits von der EU-Kommission genehmigt ist. Der Speicher, in unmittelbarer Nähe der TAP-Pipelines, könnte eine  Kapazität von ca. 1 Millionen cbm erreichen. Die Investitionskosten belaufen sich nach derzeitigen Schätzungen auf ca. 400 Millionen Euro.

Mögliche Reaktionen des Gasmarktes auf die globalen Nachfrageprognosen bis 2025 für Gas und die zu erwartenden marktwirtschaftlichen Szenarios (bedingt unter anderem durch das Auftreten neuer gasexportierender Länder wie Iran, Mozambique, Tansania), wurden schwerpunktmäßig von Gulmira Rzayeva (Azerbaijan)skizziert.

Investitionen in Gasinfrastrukturprojekte könnten einen positiven Effekt auf die politischen Beziehungen der Länder in der Region haben, unterstrich Matthew Bryza, früherer US Deputy Assistant Secretary of State. Als Beispiele führte er die Verbindungen der Türkei mit Griechenland über Zypern oder Israel an und solche über die Türkei mit Israel.

„Going South-East!“ – Ob Pipelines, LNG-Speicher oder Ausnutzung neuer Gasquellen, Griechenland und Zypern brauchen für diese Projekte Großkapital. Den Investitionschancen in Gasinfrastrukturen, insbesondere in LNG-Plants, war ein großer Teil der Diskussion gewidmet. Große Unternehmen haben ihre Vorteile vorgestellt: Sie bieten innovative technische Lösungen, Expertise und Kapital und sind in der Lage, die für den Export erforderlichen Infrastrukturen aufzubauen. Dafür brauchen sie jedoch Sicherheiten, die ohne strukturelle Reformen im Finanzsektor der beteiligten Länder nicht gewährleistet werden können.

Wir haben im Forum erfahren, dass die Zeit rennt. Dies gilt insbesondere für den LNG-Markt, wo es dringend erforderlich ist die Verträge bald abzuschließen, bevor die neuen Player(spätestens 2025) auf den Markt kommen. Die Geschwindigkeit mit der Israel sich Know-how aneignet und seine Gasvorkommen ausbaut und die marktstrategischen Szenarios mit denen es seine Gasmarktpolitik umsetzt, sollten für Griechenland und Zypern eine Vorbildfunktion einnehmen.

 

 

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