„Lasst uns die Fastenzeit voller Freude beginnen und uns geistlichen Kämpfen unterwerfen, indem wir die Seele und den Körper reinigen.“

AVGOUSTINOSMit diesen Worten beginnt, liebe orthodoxe Christen in Deutschland, ein Hymnus des ersten Vespergottesdienstes unserer vorösterlichen Fastenzeit. In jedem Jahr ermutigt uns die Kirche mit diesen Worten. Man hat die Fastenzeit übrigens, weil sie einen alljährlichen Neubeginn eines jeden von uns bedeutet, mit dem Frühling verglichen. So wie in der Natur nach dem Winter alles wieder zu neuer Schönheit und zu neuem Leben erwacht, erblühen auch wir, die Glieder der Kirche in neuer Fülle mit Gottes Hilfe und Seinem Segen.

Und so wie die Sonne die im auftauenden Boden verborgenen Keime erwärmt und wachsen lässt, so schenkt uns die Kraft des Heiligen Geistes Licht und Wärme und geistiges Wachstum. Deshalb heißt es ja im Hymnus, dass dieser Neubeginn „in Freude“ geschehen soll, denn für die heiligen Kirchenväter und die Verfasser unserer liturgischen Texte steht, wenn sie vom Fasten sprechen, nicht der Verzicht im Vordergrund, sondern der geistliche Gewinn, den wir durch diese Zeit des Kirchenjahres erlangen. Dass uns dieser Gewinn nicht ohne unser eigenes Mitwirken geschenkt wird, bringt die bildliche Aussage von den geistlichen Kämpfen zum Ausdruck, die Teil dieser Fastenzeit sind. Alles, was wir im Leben erreichen wollen, erfordert unseren Einsatz und unser Engagement. Dies gilt in ganz besonderer Weise auch für das, was wir im geistlichen Leben, dem Leben „in Christus“ erreichen wollen. Was wollen wir denn erreichen? Natürlich – wie in jedem Jahr – „das ehrwürdige Leiden und die ruhmreiche Auferstehung Christi, unseres Gottes, sehen.“ Aber es geht doch um mehr! Es geht doch darum, dass dieser Neuanfang in unserem Leben uns näher zu Christus bringt. Aus einem „Leben zu Christus hin“, wird ein „Leben bei Christus“ und letztendlich ein „Leben in Christus“.

In jedem Jahr erhalten wir also von neuem die Chance und die Gelegenheit, diesen unseren Lebensweg neu zu starten: in unserer Kirche geschieht dies durch das heilige Sakrament der Beichte und den Empfang des kostbaren Leibes und Blutes unseres Herrn in der heiligen Eucharistie, durch die gegenseitige Vergebung, die wir zu Beginn der Fastenzeit erbitten und gewähren, durch die Pflege der Nächstenliebe und der Barmherzigkeit und eben durch das Fasten. Körperliche und seelische Bemühung gehen miteinander einher. Seele und Körper werden, wie es in unserem Hymnus heißt, gereinigt, weil sie, nach orthodoxem Verständnis, eine Einheit bilden. Das, was erleuchtete Mediziner uns lehren, dass nämlich Leib und Seele gegenseitige Wechselwirkungen in guten und in weniger guten Zeiten aufweisen, weiß die Kirche schon seit langem und bringt es uns gerade in der Fastenzeit wieder nahe. Und in einer Zeit, in der die Körperpflege uns dauernd nahegelegt wird, ruft sie uns zu einer Zeit der Seelenpflege auf, besser noch: zu einem den ganzen Menschen – Körper und Seele! – umfassenden Neuanfang. Dieser wird wie jeder Frühling auch von jedem einzelnen von uns anders empfunden. Während für manche auch der geistliche Winter mild und schneefrei war, haben andere unter der Last ihrer Sorgen, unter Krankheit und Leid, unter Einsamkeit und Vergessenheit gelitten. Vielfach haben wir, gleichsam unter dem Schnee unserer Betriebsamkeit und Hektik verborgen, die Orientierung und den rechten Weg, ja vielleicht sogar den Mut verloren. Andere von uns haben die schützende Wärme und Nähe unserer Familien und Gemeinden sehr wohl verspürt, und sind bereit, das Empfangene weiterzugeben und zu teilen – unterwegs gen Ostern.

Für alle gilt: „Lasst uns die Fastenzeit voller Freude beginnen!“

Weil wir, wie immer, das „das ehrwürdige Leiden und die ruhmreiche Auferstehung Christi, unseres Gottes“ nach dem Datum feiern, das unsere Väter auf dem Ersten Ökumenischen Konzil in Nikäa beschlossen haben, besteht in diesem Jahr eine große zeitliche Entfernung zwischen unserem orthodoxen Osterfest und dem westlichen Ostern. Das soll aber kein Hindernis für das Fasten und den geistlichen Kampf sein.

Euch allen, den orthodoxen Priestern und Gläubigen dieses Landes, wünschen wir Kraft und Stärkung für diesen Kampf und eine gesegnete, ja freudenvolle Fastenzeit der Vorbereitung auf „das Fest der Feste und den Feiertag der Feiertage“.

Dortmund, den 9. März 2013

Für die Orthodoxe Bischofskonferenz in Deutschland

† Metropolit Augoustinos von Deutschland, Exarch von Zentraleuropa

Vorsitzender der Orthodoxen Bischofskonferenz in Deutschland

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