Ein Artikel von Andreas Stefanis, Journalist und griechischer Tourismusberater in Deutschland.

(Mitglied DHW)

Die Deutschen sind in Griechenland willkommen. Dieser Satz wird seit Monaten gebetsmühlenartig von griechischen Politikern wiederholt. Aber ist das wirklich so? Was muss getan werden, damit diese These tatsächlich stimmt? Die TUI Experten am TUI Talk Abend in Berlin auf der Suche nach Antworten.

Die Entwicklung des griechischen Tourismus ist keine Überraschung, sondern das Ergebnis einer passiven Tourismuspolitik. Die am 12.04.2012 im World TUI Center durchgeführte Podiumsdiskussion zeigte vor allem die Ratlosigkeit bei den Akteuren. Ein Versuch, die Krisensituation des griechischen Tourismus aus dem Blickwinkel einer Tourismusberatung klarzustellen.

„Der negative Trend der Vorausbuchungen nach Griechenland ist noch nicht ins Plus gedreht, hat sich aber in den vergangenen drei Wochen signifikant verbessert“ teilte Stefan Baumert Mittelstreckenchef der TUI mit. Auch Panagiotis Skordas, Leiter der Griechischen Zentrale für Fremdenverkehr (EOT) für Deutschland und Österreich sieht eine positive Entwicklung. Zwar hätten die „Anti-Deutschland“-Parolen wie auch die provokanten Medienberichte in griechischen Medien die positive Einstellung der Deutschen zu Griechenland und zu den Griechen selbst, überstrapaziert. Sie seien jedoch das Werk einer Minderheit. „Wir stellen seit einigen Wochen fest, dass uns die Deutschen nun nicht mehr fragen, ob Probleme mit Streiks zu erwarten seien, sondern es wird wieder ganz gezielt nach Destinationen gefragt“. „Auch in anderen Ländern wird gestreikt“, sagte Skordas, zeigte sich jedoch zuversichtlich, dass die Fluglotsen in diesem Sommer auf weitere Streiks verzichten würden, „weil sie nun eben auch die Bedeutung des Tourismus verstanden haben“.

Die Zahlen lügen nicht.

Panagiotis Skordas verzichtete an diesem Abend auf konkrete Zahlen. Wir haben uns jedoch die vorläufigen Zahlen des ersten Quartals 2012 der Ankünfte in den griechischen Flughäfen angesehen1: Danach sind im Zeitraum Januar bis März 2012 in Griechenland insgesamt 551.442 Auslandsgäste mit dem Flugzeug angereist. Dies ist ein Minus von 8,8 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Die größten Verluste wies dabei die Destination Athen auf: 11,6 Prozent weniger Ankünfte (- 352.004 Auslandsgäste). Thessaloniki konnte dagegen ein Plus von 5,6 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum verzeichnen.

Eine dilettantische Politik mit verheerenden Folgen für die Entwicklung des griechischen Tourismus

Mit der Auflösung des griechischen Parlaments vergangene Woche hat der Wahlkampf in Griechenland begonnen. Schon in drei Wochen gehen die Wähler wieder zu den Urnen. Bei dieser Wahl gehe es nicht allein darum, wer die nächste Regierung bilden soll, sagte der scheidende Übergangspremier Lucas Papademos in einer Fernsehansprache: “Entschieden wird über den Weg Griechenlands in den kommenden Jahrzehnten.” Das Land befinde sich erst “in der Mitte einer schwierigen Wegstrecke”. Das entscheidende Dilemma ist nicht, ob die Griechen für oder gegen die Troika stimmen, sondern – wie der moderne Philosoph Stelios Ramfos sagt – „ob man für Europa oder für Afrika“ stimmt. Denn, Griechenland befindet sich nach Ramfos am Scheideweg zwischen der Kulturgeschichte aus der Vergangenheit und der Zukunftsorientierung Richtung Europa. Welche Politiker werden nach dem 6. Mai nun das Ruder übernehmen und was befähigt sie dazu? Werden sie in der Lage sein, das „Land der Götter“ wieder unter den Top 10 Destinationen der deutschen Urlauber zu positionieren?

Die größte Gefahr für den griechischen Tourismus sind nicht nur die Konkurrenzdestinationen in der Türkei, in Ägypten, in Tunesien etc., sondern die Griechen selbst.

Hellas braucht fähige Technokraten, die in der Lage sind, nicht nur den Staat umzustrukturieren, aber mit dem notwendigen sozialen Fingerspitzengefühl das Volk zu überzeugen und wieder zurück zu gewinnen. Mit einem glaubwürdigen touristischen Masterplan, der die Grundlagen für nachhaltiges Wachstum schafft. Neue Investitionen müssen an Land gezogen werden. Der Tourismussektor ist dafür ideal! Wichtige Maßnahmen dabei: die Modernisierung der Häfen und Marinas, der Flughäfen, die markt- und zielgruppenorientierte Angebotsentwicklung, z.B. durch die touristische Inwertsetzung der über 700 Spa-Quellen für Wellness und Medical Wellness Gäste.

Die in Athen ansässige Task Force hat eine Liste mit 180 Projekten erarbeitet, welche von den griechischen Behörden vorgeschlagen wurden. Ob diese Liste dem tatsächlichen Bedarf erfüllt oder nicht, ist fraglich. Fakt ist, dass für den Kultur- und Tourismussektor lediglich 14 Projekte mit einem Budget von rund 140 Mio. EUR beantragt worden sind. Dies sind 1,3% des Investitionsvolumens. Ein Tropfen auf den heißen Stein des wichtigsten Wirtschaftszweiges des Landes? Welche Projekte sind auf Destinationsebene geplant? Auf der Basis welcher Strategien? Und mit welchem Fachwissen?

Nach unseren Informationen wurden im Rahmen des PSI-Schuldenschnittes de facto 20 Mio. EUR der EOT Reserven gestrichen, welche in Form von Staatsanleihen investiert worden waren. Dies wird eine enorme Auswirkung auf den Haushaltsplan der Tourismusbehörde haben. Aber was könnte diese Behörde in der heutigen Konstellation überhaupt leisten?

Mit Werbekampagnen und Investitionen wollen die größten deutschen Veranstalter die Griechen solidarisch unterstützen. Aber reicht das? Die Hotels in Griechenland haben für diese Sommersaison die Preise bereits bis zu 30 Prozent gesenkt. Wird das Preisargument die Deutschen dazu bringen nach Griechenland zu reisen? Steckt dahinter eine Strategie oder ist das verzweifelter Aktionismus?

Was braucht das „Land der Götter“?

Eines ist sicher: Jeder Deutsche, der dieses Jahr seinen Urlaub in Griechenland bucht, wird dem Land helfen, nicht weiter tiefer in die Krise abzurutschen, denn dies hätte fatale Folgen für alle Europäer. Auch eine Rückkehr zur „Drachme“ würde die Situation nicht retten: „Ein Austritt Griechenlands aus dem Euro wäre für alle Beteiligten nicht gut und würde langfristig gesehen den Griechen keine Vorteile bringen“ sagte auch Baumert.

Ein neues Gesetz mit dem Ziel, Investoren die Rahmenbedingungen leichter zu machen ist laut Skordas bereits verabschiedet. Auf die Empfehlungen von Beate Arnold, Leiterin der TUI World in Deutschland die mangelnde Infrastruktur am Beispiel einiger Flughäfen wie Araxos oder Heraklion, zu verbessern, konterte Skordas mit Beispielen vom neuen Luxusresort Costa Navarino, welches als „Best case“ der privaten Initiative vorgestellt wurde. Die Probleme bleiben aber bestehen: Griechenland hat es noch nicht geschafft, den Kunden das Preis-/ Leistungsverhältnis mit glaubhaften Argumenten und Fakten transparent zu verkaufen. Laut Arnold sind „die Kunden heutzutage nicht nur anspruchsvoller, sondern sie versuchen nachzuvollziehen, warum etwas wie viel kostet“ und zwar im direkten Vergleich zu anderen Mittelmeerländern.

Seit einigen Tagen wird in den griechischen Medien kommuniziert, dass durch die Initiative von SETE (Verband der griechischen Tourismusunternehmen) per Gesetz eine neue Marketinggesellschaft mit dem Namen „Marketing Greece“ gegründet worden ist (70% Privat / 30% Staat). Ziel von „Marketing Greece“ wird sein, zukünftig sämtliche Marketingmaßnahmen einheitlich zu konzipieren und zu kommunizieren. Ob dieser Versuch Früchte trägt, hängt auch von den Personen, Konzepten und Organisationstrukturen, die dahinter stehen.

Baumert begründete diese Situation mit dem Fakt, dass in Griechenland noch kein Masterplan für den Tourismus existiert. Das muss so schnell wie möglich geändert werden. Politik,Tourismusverbände und die privaten Tourismusbetriebe müssen an einem Strang ziehen. Er ergänzte noch dazu, dass die TUI mit einer „Vorwärtsstrategie für Griechenland“ versucht, antizyklisch zu operieren, das heißt „man hat in neue exklusive Hotelverträge investiert wie Robinson Clubs, Magic Life und damit die Umsätze in Griechenland stabilisiert. Alle Podiumsteilnehmer waren einig, dass es mit dem griechischen Tourismus nur vorwärts gehen kann, wenn

·das Land die notwendige politische Ruhe und Stabilität für einen längeren Zeitraum bietet.

Die Frage ist, mit welchem politischen System und mit welchen Personen wird dies

ermöglicht. Dazu kommt noch der Aspekt der Einhaltung der Gesetze und der Liberalisierung

der Rahmenbedingungen für alle Tourismusakteure.

·zügig die Rahmenbedingungen für Investoren insbesondere für ausgewogene Investitionen in der Hotellerie im 4-Sternebereich, in der Infrastruktur der Flughäfen und Häfen, in der Produktentwicklung in den Destinationen.

·alle Beteiligten konsequent einen noch zu schaffenden Tourismus-Masterplan umsetzen.

·die Griechen so bleiben wie sie sind, in Bezug auf ihre außergewöhnlich schöne Inseln, mit denen man behutsam umgehen sollte in puncto Natur, Umwelt und Tourismusentwicklung. Nun hier stellt sich auch die Frage, ob der ländliche Bereich mit den richtigen Tourismuskonzepten, mit fähigen und nicht korrupten Personen und mit der notwendigen Disziplin und Konsequenz unterstützt werden.

·die griechische Gastfreundschaft so bleibt wie sie ist, weil sie legendär ist. Das ist eines der USPs des griechischen Tourismus. Man sollte aber auch hier nicht vergessen, dass die Finanzkrise die Tourismusbetriebe aufgrund fehlender Bankunterstützung und steigender Betriebskosten (Strom, Steuer etc.) geschwächt sind. Im Zeitraum 02.-07.05.2012 wird auch der diesjährige FVW Workshop mit dem Thema „Griechenland selbst entdecken“ in Athen und Costa Navarino auf dem Peloponnes stattfinden. Auf einem Kongresstag werden die touristischen Highlights des Landes vorgestellt und Experten von deutschen Veranstaltern und Hotels diskutieren, wie das Geschäft wieder angekurbelt werden kann. Wir werden darüber gesondert berichtet. Griechenland ist zweifellos ein einzigartiges, ein ganz besonderes schönes Land. Die Vielfalt der Inseln und der Regionen, die Kulturgeschichte, die unberührte Natur und die Gastfreundschaft der Griechen sind einige der Differenzierungsmerkmale des Landes der Götter. Es ist Zeit nun diesem ungeschliffenen Diamant seinen Glanz zurück zugeben, damit seine Wertigkeit nicht verloren geht. Profil von

 

Andreas Stefanis:

Andreas Stefanis (48) gebürtiger Athener, wurde im Jahre 1989 nach seinem BWL-Studium in Wien Assistent des Marketingleiters der Deutsche Lufthansa in Athen für die Region Süd-Ost- Europa. Von 1991 bis 1995 war er Marketingleiter der Regionalleitung der Lufthansa für Berlin und Deutschland Ost. Nach weiteren Berufsstationen in leitenden Führungspositionen in der Beratungsbranche hat er war er ab 2000 für sieben Jahre lang Leiter für die Unternehmenskommunikation der Deutsche Bank Tochter Pago eTransaction Services GmbH mit Sitz in Köln. Seit 2007 ist geschäftsführender Gesellschafter der eigenen Marketing- Tourismusberatungsfirma die Stefanis Marketing Consulting GmbH mit Sitz in Potsdam und berät zusammen mit seiner Ehefrau Katja Stefanis Regionen, Tourismusorganisationen und Hotels in Deutschland und Griechenland in allen relevanten Fragen des Marketing, des Vertriebs, der Kommunikation und der neuen Technologien. Andreas Stefanis ist seit 2009 Mitglied an CTOUR, den Club der Tourismusjournalisten in Berlin und Brandenburg.

Pressekontakt:

Redaktionsbüro Griechenland-Tourismus c/o Stefanis Marketing Consulting GmbH Parzivalstr. 17A, D-14476 Potsdam

Ansprechpartner: Andreas Stefanis Tel: (033201) 50 830, Fax: (033201) 50 831 E-Mail: andreas@stefanis-consulting.eu

 

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