Über seinen preisgekrönten Film „Sto Spiti“ und das Schicksal einer georgischen Haushälterin

Für die Elliniki Gnomi

Von Athanasia Theel

Top Post Foto aus dem Film  „Sto Spiti“: J.M. Louis © SHNP3

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Regisseur Athanasios Karanikolas: © Berlinale

Direkt auf der Berlinale 2014 am Potsdamer Platz in Berlin trifft Athanasia Theel den griechischen Autor und Regisseur Athanasios Karanikolas.

Kurz nachdem er erfahren hat, dass sein Film „Sto Spiti“ (übersetzt „Zu Hause“) den Preis der ökumenischen Jury erhalten hat, beginnt das Gespräch über den Film, die Problematik der Migration und sein Leben in Deutschland.

 

Elliniki Gnomi: In Ihrem Film „Sto Spiti“ geht es um die georgische Haushälterin Nadja, die bereits seit 20 Jahren in Griechenland lebt und in einer Villa in den Bergen von Marathon für eine reiche griechische Familie arbeitet. Wie sind Sie auf die Idee für diese Konstellation gekommen?

Karanikolas: Dies ist eine Konstellation, die man in Griechenland oft begegnet. Griechen arbeiten generell in solchen Jobs nicht. Zum einem sind sie sehr schlecht bezahlt und zum anderen werden sie als degradierend empfunden.

 

Elliniki Gnomi: Nach welchen Kriterien haben Sie die Hauptdarsteller ausgesucht?

Karanikolas: Ich habe sie nach ihren schauspielerischen Leistungen ausgesucht. Ich habe sie zuvor in Filmen oder im Fernsehen gesehen.

 

Elliniki Gnomi: In dem Film gibt es sehr viel Licht und die einzelnen Szenen spielen fast immer am Tag, obwohl die Thematik düster ist. Was wollten Sie mit diesem Kontrast bezwecken?

Karanikolas: Es ist alles natürliches Licht ist. Es war sehr schön mit natürlichem Licht  zu arbeiten, weil es so stark und hart ist. Das war eine Herausforderung.

Wir wollten eine Geschichte erzählen, die eine gewisse düstere Dimension hat. Der Kontrast mit dem Licht war uns wichtig.

Elliniki Gnomi: Also hat sich das nicht nur zufällig ergeben mit dem Licht?

Karanikolas: Nein. Wenn Sie genauer hinschauen, fällt Ihnen auf, dass der Film von Tag zu Tag geht und es nur eine einzige Nacht gibt. Das ist sehr bewusst so  inszeniert. Nach der Kündigung kommt Nadja noch mal zum Haus der Familie und sagt, dass sie gekommen ist um zu sehen.Zudem endet der Film mit dem Anbruch eines neuen Tages.

Elliniki Gnomi: Welche Rolle spielt die Musik in dem Film?

Karanikolas: Insgesamt sind drei Musikstücke in dem Film eingebunden. Das erste ist ein Schubert-Stück, was die Kleine spielt und welches zu ihrer Klavierausbildung gehört. Zugleich ist dieses Stück ein Zitat aus dem Film Balthazar von Robert Bresson. Ein toller Film aus den 60er Jahren, den ich sehr bewundere. Das zweite Lied „to fili“, also der Kuss, wird von Nefeli Kouri, Nadjas erwachsene Tochter, gesungen. Das ist ein altes Hirtenlied, welches von der Liebe eines zehnjährigen Hirten zu einem älteren Hirtenmädchen handelt. Dies ist ein atmosphärisches Liebeslied, das die Nähe der Familie außerhalb von Nadja erfasst. Zuletzt noch der Walzer, den Marietta Fafouti extra für den Film geschrieben hat. Er ist im 20er Jahre Stil gehalten und sie hat es geschafft, dass es genau nach dieser Zeit klingt – eine sehr talentierte Komponistin. Der Titel bedeutet übersetzt „Licht im Dunkeln“. Der Kern dieses Liedes und auch der gesamten Geschichte ist, dass das Leben ein heller Moment im Dunkeln ist. 

 

Elliniki Gnomi: Auf was sollten die Zuschauer besonders achten, wenn sie den Film das erste Mal sehen?

Karanikolas: Ich finde in einem Film sollte man das, was einem besonders wertvoll erscheint so verstecken, dass die Zuschauer danach suchen. Ich kann aber sagen, dass Nadja für mich den Kern der Geschichte darstellt. Die Art und Weise wie sie mit ihrem Leben und den Menschen umgeht. Es ging mir nicht darum das Verhalten eines griechischen wohlhabenden Paares gegenüber seiner Haushälterin zu zeigen, sondern die Art und Weise, wie diese mit ihrer Situation umgeht.

 

Elliniki Gnomi: Der Titel des Films „Sto Spiti“ – übersetzt „Zu Hause“, warum haben Sie diesen ausgewählt?

Karanikolas: Der Titel stellt die Idee von einem Zuhause in Frage. Was ist Zuhause, wo ist das? Wann ist man Zuhause und gibt es überhaupt eines? Dieser Begriff zu Hause sein ist gerade in der jetzigen Zeit, wo alles so instabil ist, eine große Frage für uns alle. Wen kann man vertrauen, wer liebt einen wirklich und bedingungslos.

 

Elliniki Gnomi: Der Film ist eine deutsch-griechische Co-Produktion. Wie kam es dazu?

Karanikolas: Ich lebe seit 22 Jahren in Deutschland. Meinen ersten Film habe ich mit der Redaktion des ZDF – Das kleine Fernsehspiel gemacht. Nun habe ich für diesen Film wieder mit der gleichen Redaktion und demselben Redakteur Lucas Schmidt zusammengearbeitet. Zudem habe ich Lasse Scharpen mit ins Boot genommen, der die SHPN3 Filmproduktionsfirma gegründet hat. Mit ihm hatte ich bereits in vorherigen Filmen eine sehr gute Zusammenarbeit. Schließlich wollten wir den Film in Griechenland drehen, mit griechischen Schauspielern, und da war es klar, dass wir einen griechischen Co-Produzenten brauchten. Dafür habe ich Argyris Papadimitropoulos ausgewählt, mit dem ich ebenfalls zuvor schon sehr gut zusammengearbeitet habe. Insgesamt ist eine gelungene internationale Co-Produktion entstanden.

 

Elliniki Gnomi: Sie haben sich bereits mehrfach mit der Problematik der Migration auseinandergesetzt, wie in Ihren Film „Hotel Kabul“ (2010) und nun wieder.

Karanikolas: Ja, ich habe mehrere Filme mit dem Thema Migration gemacht. Es ist ein Thema, was mich sehr berührt und interessiert. Ich glaube, es ist auch das Thema des 21. Jahrhunderts. Bevölkerungen, die auswandern und woanders einwandern, weil sich die Umstände sehr schnell ändern. Flucht, politische Systeme und Kriege, die Idee der Grenzen wird jetzt im 21. Jahrhundert noch mal neu in Frage gestellt.

Meiner Ansicht nach gibt es mehr, was die Menschen verbindet als das was sie trennt. Die wirtschaftlichen Grenzen sind eine künstliche Konstruktion. Vielleicht sollte man sich die Idee der EU noch weiter denken als nur darauf beschränkt zu sein.

In Griechenland ist es zurzeit schrecklich, wie mit Migranten umgegangen wird. Man hört eine Tragödie nach der anderen und von menschenunwürdigen Zuständen. Meiner Ansicht nach müssen Wege gefunden werden, die den Betroffenen in ihrer Lage helfen.

 

Elliniki Gnomi: Sie leben nun schon seit über 20 Jahren in Deutschland. In einem Interview haben Sie mal auf die Frage geantwortet, ob Sie nicht irgendwann zurück wollen nach Griechenland, dass es dieses „zurück“ im  heutigen Europa nicht mehr gibt. Wie ist das gemeint?

Karanikolas: Ich habe nicht das Gefühl, dass ich soweit weg bin von Griechenland. Es gibt einen großen Austausch zwischen den europäischen Ländern und Städten. 

 

Elliniki Gnomi: Haben Sie dennoch Erfahrungen mit Menschen gemacht, die Grenzen im Kopf haben?

Karanikolas: Die Deutschen, die ich kennengelernt habe, lieben Griechenland und verstehen beispielsweise, wie wichtig das Land für die Entwicklungen in der westlichen Kultur gewesen ist. Zudem haben sie gerade jetzt ein offenes Ohr und Herz für die momentanen Zustände in dem Land. Insgesamt habe ich keine schlechten Erfahrungen als Grieche in Deutschland gemacht.

Elliniki Gnomi: Sie leben seit knapp 15 Jahren in Berlin. Wie würden Sie Ihr jetziges Leben in der deutschen Hauptstadt in einem Satz beschreiben?

Karanikolas: Bereichernd.

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