von Phedon Codjambopoulo.

Zum ersten Mal habe ich sie bei Maischberger live miterlebt. Ich war von ihrer Ruhe und ihrer Contenance beeindruckt insbesondere als sie von SPIEGEL-Mitherausgeber Jakob Augstein in eine fürs deutsche Fernsehen unübliche arrogante, aggressive und machohafte Art und Weise angefahren wurde. Ich glaube nicht, dass er sich diesen frechen Ton erlaubt hätte, wäre seine Gesprächspartnerin eine Türkin oder eine Jüdin gewesen. Griechinnen und Griechen zu diskreditieren ist aber in den Zeiten des Griechenland „Bashing“ Mode geworden und daher kein Problem. Da hat sich DER SPIEGEL neben der BILD in ungewöhnlicher Eintracht hervor getan.TANIA

Genauso wie Jakob Augstein, dem „political corretcness“ viel wichtiger als die Sicherheit auf Deutschlands Straßen ist, haben sicherlich auch viele Landsleute die Intention von Kambouri zu ihrem Buch nicht verstanden oder missverstanden. Tania Kambouri, die von griechischen Eltern im Ruhrgebiet aufgewachsen und unter vielen verschiedenen Ethnien dort sozialisiert wurde, will mit ihrem Buch weder eine bestimmte Migrantengruppe stigmatisieren noch Ausländerhass säen. Sie legt den Finger in der Wunde und beschreibt in ihrem Buch genau das, was sie in ihrer 12jährigen Tätigkeit auf den Straßen des Ruhrgebiets erlebt hat und nennt dabei Ross und Reiter. Entweder man macht das so, wie sie es getan hat, oder man schweigt wegen der falsch verstanden „political correctness“. Aber mit dem Schweigen haben wir Deutsche ja unsere eigenen Erfahrungen gemacht.

Kirsten Heisig, die Jugendrichterin an Deutschlands größtem Amtsgericht Berlin-Tiergarten, musste Selbstmord begehen, damit ihr Hilferuf an Gesellschaft, Politik und Justiz gehört wird. Heinz Buschkowsky, der 14 Jahre lang Bezirksbürgermeister des Berliner Bezirks Neukölln war, wird als Karikatur des deutschen Stammtischpolitikers abgetan. Wollte Jakob Augstein mit seinem Frontalangriff, Tania Kambouri in die gleiche Ecke wie Buschkowsky drängen? Ich denke schon. Denn Kambouri hatte den Mut, ein Thema anzupacken, wozu sich DER SPIEGEL nicht getraut hat. Wie kann man denn Augsteins Aussage „if you can´t stand the heat, don´t go into the kitchen“ anders interpretieren? Kambouri konterte eloquent und treffend in den daraufhin durchgeführten Interviews: „Er (gemeint ist Augstein) kennt die Straße nicht. Deswegen kann ich ihn in dieser Sache nicht ernstnehmen“. Nicht ernst genommen haben ihn erfreulicherweise auch jede Menge seiner Journalisten-Kollegen, die sein Verhalten durchweg in ihren Kommentaren zur Sendung kritisierten.

Ich habe Tania Kambouris Buch gelesen und dabei keine Übertreibungen festgestellt. Für jemanden wie mich, der arbeitstäglich mit der U-Bahn von der Haltestelle Maarweg nach Kalk-Kapelle in Köln fährt, ist das, was Kambouri beschreibt, völlig normal. Man braucht nur Augen und Ohren offen zu halten und wird genau das erleben, was im Buch in sachlichen Sätzen und anhand vieler Beispiele erzählt wird. Obwohl Kambouri Polizistin ist und die Staatsmacht vertritt, wird sie in Bochum aus bestimmten Migrantengruppen heraus offen verachtet und diskriminiert, weil Angehörige dieser Gruppen eine Frau im Polizeidienst nicht akzeptieren können. Kambouri beschreibt wie sie übel beschimpft wird, angespuckt und brutal angefasst wird. Unter diesen Umständen Deeskalation zu üben, ist fürwahr ein schwieriger Akt. Und dennoch. Die Polizei ist alleine und die Politik schaut machtlos zu. Ein anderer wichtiger Punkt ist die Selbst- und Paralleljustiz, die von Kambouri im Buch angeprangert wird. Darf so etwas von unserer Gesellschaft akzeptiert werden? Dürfen religiöse Gesetze, Riten und Gewohnheiten, die mit dem Grundgesetz und dem darauf aufgebauten Rechtsstaat nichts zu tun haben, von deutschen Gerichten berücksichtigt werden und in ihren Urteilen einfließen?

In einem Leser-Kommentar zu einem Artikel in FOCUS lese ich: „Für mich sind Menschen wie Augstein Brandstifter im klassischen linken Sinne. Da werden nicht die Menschen geschützt, die uns verteidigen sollen, sondern die entschuldigt, die die Verteidiger angreifen.“ Dieses Gefühl hatte ich auch als ich MAISCHBERGERS Sendung sah. Daraufhin entschloss ich mich, Kambouris Buch zu kaufen und zu lesen. Ich habe es nicht bereut.

„Wenn wir nicht rasch und konsequent handeln, wenn wir unsere Rechts- und Wertordnung nicht entschlossen durchsetzen, werden wir den Kampf gegen die Jugendgewalt verlieren“, schrieb Kirsten Heisig schon 2010 in ihrem Buch „Das Ende der Geduld – Konsequent gegen jugendliche Gewalttäter“. Tania Kambouris Buch ist ein zweiter, ganz ernst zu nehmender Aufruf und Hilferuf in der gleichen Richtung.

So lautet meine Empfehlung: kauft das Buch und liest es. Und wenn Ihr einen Politiker kennt, schenkt es ihm.

Deutschland im Blaulicht – Notruf einer Polizistin

Tania Kambouri

Erschienen am 05.10.2015 als PIPER Paperback

224 Seiten, Klappenbroschur

ISBN: 978-3-492-06024-0

€ 14,99 [D], € 15,50 [A]

 

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