Lächelnde Polizisten – Reisende Griechen – Singende Kinder
Christi Geburt – Festtagskobolde – Geschenke – Königskuchen –Glücksbringer –Wasserweihe
Von Sylvia Löser – Walter Bachsteffel
Heute sehen wir nur lächelnde Polizisten auf der Straße. Geduldig regeln sie den Verkehr. Strafzettel für falsches Parken? Heute doch nicht! Gut, geparkt wird auch sonst nicht unbedingt platzsparend und ein Polizist ist auch nicht immer mit Trillerpfeife und Bleistift zur Stelle. Hinter der nächsten Ecke stapeln sich Geschenkpäckchen. Die kleine Stadt ist voller Menschen und Autos. Viel voller. Kinder ziehen von Tür zu Tür. „Dürfen wir singen?“ Nach der kleinen Vorführung und dem pflichtschuldigen Obulus in Form weniger Münzen wenden sich gerötete Gesichtchen dem nächsten Tor zu. Dezente Hektik macht sich breit.
Am Abend dann die Klärung. Mit großer Geste und landesweit im Fernsehen übertragen lässt der Athener Bürgermeister am himmelhohen, eisernen Weihnachtsbaum 60.000 Lichter aufglühen. Vor recht wenigen Zuschauern. Athen ist wieder einmal menschenleer.
Die vielen zusätzlichen Menschen in unserer Stadt sind für die „Zwölftage“ aufs Land zu ihren Verwandten geflohen. Sie wollen hier stilvoll Liturgie, Christi Geburt und das Ende der vorweihnachtlichen Fastenzeit feiern und ruhige Tage im Kreis ihrer Lieben verbringen. Vom einleitenden Singen der Kinder bis zum Werfen von Granatäpfeln an Silvester und dem „Kreuztauchen“ ins eiskalte Meer bei der „Großen Wasserweihe“ spannt sich ein traditioneller Bogen von Bräuchen.
„Von den Kalanda bis Epiphanie“
Am Morgen von Heiligabend beginnt mit dem Singen der „Kalanda“ das „Dodekaimero“ (Zwölftage), das am 6. Januar mit dem Epiphanie-Fest endet. Während dieser Zeit, in der man sich „Kales Jortes“ bzw. „Frohe Festtage“ wünscht, werden – von Region zu Region oft sehr unterschiedlich – eine Reihe von Bräuchen begangen; viele davon existieren aber nur mehr in den Erzählungen der Älteren.
Kalanda
„Na ta poume?“ (Dürfen wir sie singen?) fragen die Kinder, die am 24. Dezember schon früh morgens an die Tür klopfen, um die Geburt Christi anzukündigen. In diesen Liedern werden jeweils am 24. und 31. Dezember sowie am 5. Januar die religiösen Ereignisse des darauffolgenden Jahres (Weihnachten, Neujahr, Epiphanie) besungen, aber auch Segenswünsche für die Hausbewohner ausgesprochen. Früher wurden die kleinen Sänger mit Süßigkeiten belohnt; heute klingeln meist Münzen in den Kinderhänden.
Christopsomo
Das „Christopsomo“, das „Christbrot“, darf – vor allem auf dem Land – auf keinem Weihnachtstisch fehlen. Seine Form ist gewöhnlich rund und es ist symbolisch verziert. Meistens wird über das Brot ein Kreuz aus Teig geformt, in dessen Mitte und den Ecken Mandeln eingelegt werden, die als Zeichen der Fruchtbarkeit gelten. Die sonstige Dekoration des Brotes richtet sich nach den Tätigkeiten des Hausherren: Rinder, Pflug und Dreschtenne bei Landwirten; Schafe, Ziegen und Stall beim Schäfer; Fische, Netz und Boot beim Fischer. Andere Varianten des Christopsomo kommen auf Ithaki vor. Dort ist es länglich und soll das Christkind darstellen. In Petroussa bei Drama wiederum bäckt man auf ein größeres rundes Brot ein kleines. Damit sollen der Stall zu Bethlehem und das Christkind symbolisiert werden.
Kalikantzari – Festtags-Kobolde
Das vorherrschende Element während des Dodekaimeros waren in Zeiten, in denen man an Geister, Hexen und Feen glaubte, die Kalikantzari. Die Kalikantzari, Lykokantzari oder auch Planitari – wie sie auf Zypern heißen – sind kleine, dunkle, behaarte Kobolde mit Affenarmen, Ziegenbeinen und roten Augen, die äußerst verfressen, ein bisschen dumm und sehr neugierig sind. Das ganze Dodekaimero über muss man vor den sogenannten „Dämonen der ungetauften Tage“ auf der Hut sein, da sie sie zwischen Christi Geburt und der Segnung der Gewässer der Epiphanie ihr Unwesen treiben.
Die Kalikantzari sitzen fast während des gesamten Jahres unter der Erde, wo sie versuchen, den Baum, der die Welt trägt, zu fällen. Kurz bevor sie am Ende ihrer Bemühungen angelangt sind, ist es jedoch Heiligabend und die Gerüche der Festtagsvorbereitung locken sie an die Erdoberfläche. Einer anderen Version zufolge wird durch die Geburt Christi der Baum wieder „ganz“. Aus Wut stürmen dann die Kobolde an die Erdoberfläche und ärgern die Menschen. Sie essen alles, was sie in der Häusern finden und verursachen ein heilloses Durcheinander. Dagegen kann man sich aber mit verschiedenen Tricks wehren: So wirkt etwa ein Teller Süßigkeiten auf die Kobolde beruhigend. Manchmal helfen auch Ablenkungsmanöver: Ein Sieb an der Haustür oder auf dem Dach neben dem Schornstein verleitet die Kalikantzari, die Löcher zu zählen. Kräht der Hahn, müssen sie verschwinden, da sie, wie die meisten Bösewichte, das Licht scheuen.
Die effizienteste Methode aber, sich diese „Teufelswesen“ vom Leib zu halten, ist, das ganze Dodekaimero über ständig ein Feuer im Kamin brennen zu lassen – Feuer verscheucht alles Böse. In einigen Gegenden wurden früher am Dorfrand oder auf den Dorfplätzen Feuer angezündet, begleitet vom Geläut von Schafsglocken: Feuer und Krach halten die bösen Geister und Wesen fern. In einigen Regionen war man der Überzeugung, dass die kleinen Wichtel nur denjenigen schaden, die sich nicht anständig benehmen: Dazu gehörten schlechte Hausfrauen, unartige Kinder, Faulpelze oder Trinker. In manchen griechischen Volksmärchen werden die „guten“ Mädchen von den Kalikantzari beschenkt, die „bösen“ hingegen bestraft. Am 6. Januar werden die frechen Festtagsgäste schließlich von den Lichtern des Epiphanie-Festes in ihre Höhle zurückgetrieben. Dort werden sie bis zu den nächsten Weihnachtsfeiertagen wieder versuchen, den „Baum der Welt“ zu fällen….
„Agios Vassilis“ und die „Vassilopita“
Viele aus nördlicheren Breiten importierte Bräuche, wie der Weihnachtsbaum und der Truthahnbraten, sind in Griechenland längst zur Tradition geworden. Die Geschenke für die Kleinen aber werden in den meisten Familien nicht am Heiligabend vom Weihnachtsmann oder dem Christkind, sondern am 31. Dezember um Mitternacht vom Agios Vassilis (Heiliger Vassilios) gebracht. Der Legende nach soll Bischof Vassilios der Große einst den grausamen Herrscher der Stadt Caesarea dazu veranlasst haben, den dortigen Bewohnern abgenommene Wertsachen wieder zurückzugeben.
Da es nicht möglich war, die rechtmäßigen Besitzer wiederzufinden, ließ Vassilios die Münzen und Wertsachen in Brote einbacken und an die Bevölkerung verteilen. Auf diese Art und Weise wurde Vassilios zum Gabenbringer der Kinder.
In dieser Tradition schneidet man zum Jahreswechsel um 12 Uhr Mitternacht bzw. am 1. Januar in allen griechischen Häusern die „Vassilopita“, den Vassilis-Kuchen – in den eine Münze eingebacken wird – an. Bei der Verteilung der Stücke durch das Familienoberhaupt wird das erste Christus und/oder der Panagia gewidmet. Neben den nahen und fernen Familienmitgliedern kommen aber auch das Haus, die Haustiere, die Felder und der Gast bzw. der Arme an die Reihe. Derjenige, dem die Münze zufällt, bekommt ein „Taschengeld“, ist aber vor allem der Glückspilz des Jahres. Das Anschneiden der Vassilopita ist schließlich auch in jedem Unternehmen, Verein usw. Bestandteil des Jahresanfangs.
Neujahrsglück
Auf den weitverbreiteten Glauben, daß der Beginn einer Periode zukunftsweisend sei, trifft man auch in Griechenland. Aus diesem Grund frönt man zum Jahreswechsel dem Glücksspiel. Viele beginnen bereits an Silvester damit, einige schon um Weihnachten. In den Familien geht es um das pure Vergnügen, meist werden nur kleine Summen investiert
Bestimmend für den Verlauf des neuen Jahres ist auch, wer an Neujahr als erster das Haus betritt. Alle wünschen sich dafür eine Person, die als Glücksbringer gilt. Meistens wird ein Kind bzw. der Erstgeborene Sohn oder der Hausherr kurz vor Mitternacht ins Freie geschickt, der dann nach dem Jahreswechsel als erster des Haus betritt („Podariko“). Auch die Wildzwiebel, die man am 1. Januar an die Haustür hängt, ist wichtig. Sie lebt außerhalb der Erde weiter und symbolisiert die Kraft, die auf das Haus und die Bewohner übertragen werden soll.“
Sternsinger oder Erleuchtung
Nach der Geburt Christi erschienen, geleitet vom Stern, drei Könige aus dem Morgenland, um im Stall zu Bethlehem das Kind anzubeten. Jeder in katholischen Landen kennt die Geschichte und jeder kennt die von Haus zu Haus ziehenden Sternsinger. In Griechenland wird am 6. Januar der Erscheinung des Herrn oder der Erleuchtung gedacht. Im ganzen Land haben die Pappas viel zu tun: es gilt, Tiere, Ställe, Häuser und Menschen zu weihen. In der großen Wasserweihe empfangen die orthodoxen Gläubigen aus der Hand des Pappas das Weihwasser. Tiefe und sinnfällige Bedeutung kommt ihm zu.
Dazu schreibt Elena Galini (Galini, Elena, Die drei Jahreszeiten, Gnas 1996, S. 151):
„Es ist nicht nur das Weihwasser, das Bedeutung hat. Es ist das Wasser schlechthin, das für Leben und Gesundheit unentbehrlich ist. Es wird gesegnet durch das Eintauchen des Kreuzes, damit es gesund bleibt und seine in der Taufe heilbringende Kraft auch im Alltagsleben bewahrt.“